Zur Tagung „Die Fotografie und ihre Institutionen: Netzwerke, Sammlungen, Archive, Museen“, Juni 2022

Die Fototagung, die am 23. und 24. Juni im Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI) in Essen stattfand, beschäftigte sich mit der Institutionalisierung der Fotografie als Medium, kulturelle und soziale Praxis, Kunstform, Dokument und Technik seit 1945.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte zur Gründung eines Bundesinstituts für Fotografie wurde auf der Basis von historischen, politischen, soziologischen, ästhetischen und fotohistorischen Diskursen ein umfassendes Programm konzipiert, dass sich aus nationalen und internationalen Expert*innen unterschiedlicher musealer Institutionen, Archiven, Hochschulen sowie Universitäten zusammensetzte und Fotografie aus theoretischer sowie praktischer Perspektive diskutierte und reflektierte.

Das breite thematische Spektrum lieferte Belege dafür, dass die Fotografie im interdisziplinären Spannungsfeld verhandelt, betrachtet und gedacht werden muss: So diskutierten Fallstudien beispielsweise den Umgang der Freiberger Fotofreunde mit ihren privaten Fotoarchiven (Nadine Kulbe) oder den Aufarbeitungsprozess der „Leber-Kiste“ mit Fotografien von Ada und Emil Noldes Südsee-Reise 1913/14 (Catharina Winzer, Jamie Dau und Jeanette Kokott), während historische Analysen die diskursive Trennung von angewandter und künstlerischer Fotografie im Ausbildungswesen (Daria Bona) reflektierten oder Institutionalisierungsbemühungen vorstellten (Clara Bolin, Noemi Quagliati, Dennis Jelonnek). Dabei formulierten einzelne Beiträge Ansätze und Bedingungen, um ein nationales Fotoinstitut zu konstituieren – und dies aus kulturkritischer Perspektive mit Fragen wie: Inwiefern muss eine Institution ein Ort sein? Was macht eine Sammlung aus? Unter welcher Prämisse arbeiten Institutionen wie mit Fotografie?

Die Tagung hat deutlich gemacht, dass eine fotografische Institutionalisierung gelingen kann: Dies belegen museale Sammlungen, Archive, Netzwerke und Ausstellungen. Doch es bleiben Leerstellen, die sich vor allem im fotogeschichtlichen sowie -theoretischen und wissenschaftlichen Kontext niederschlagen. Sie unterstreichen, dass ein ausschließlich forschungsorientierter Ort der Fotografie, der sich mit der stetig voranschreitenden Digitalisierung und damit einhergehenden Fragen nach Archivierung, historischen Entwicklungen, fotografischer Materialität und industriellen Verbindungen sowie dem Berufsfeld von Fotograf*innen beschäftigt, fehlt. Wie und ob eine Institution wie diese geschaffen wird, stellt sich wohl erst in der Zukunft heraus.

Die Tagung fand im Rahmen des Forschungsprojektes „Formen und Formate der fotografischen Institutionalisierung“ am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) statt und wurde von Anja Schürmann und Kathrin Yacavone organisiert. Eine Publikation mit den Beiträgen ist in Planung.

Giulia Cramm

…ist Mitarbeiterin der Fotografischen Sammlung/Fotoarchiv der Stiftung Ruhr Museum, Essen

BU: Bart van Kersavond, The wrinkles of the city, Berlin April 2013; artwork by JR

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