Foto-Installationskunst im Museum – Bitte wiederverwenden!

Die Rauminstallation „Let there be light“ von Sascha Weidner wurde 2008 im Europa-Center Berlin gezeigt und fand im Zuge der Nachlassschenkung 2016 Eingang in die Sammlung des Sprengel Museums Hannover. Durch verdunkelte Fensterfronten ermöglichte nur das Sonnenlicht das Betrachten Weidners Fotografien auf transluzenter Polyesterfolie, wie sie häufig für Leuchtkästen Verwendung findet.

Dank der Förderung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung, war es nun möglich, das Werk aus dem umfangreichen Nachlass-Konvolut Weidners zu sichern und konservatorisch zu bearbeiten. Doch gerade im Hinblick auf eine erneute Präsentation des Werks im musealen Kontext stellt sich die Frage, was wenn Installationsanforderung und konservatorische Grundsätze zum Erhalt der Objekte diametral auseinander gehen?

Es liegt auf der Hand, dass die Arbeit Weidners aus konservatorischer Sicht gleich ein ganzes Konglomerat kritischer Aspekte beinhaltet: Chromogen entwickelte Polyesterfolien, mit Selbstklebebändern an Fensterscheiben geklebt, mit schwarzer Farbe partiell retuschiert, während des gesamten Präsentationszeitraums vom Sonnenlicht beleuchtet und ohne schützendes Glas oder Abstandhalter zum Publikum. Um Objekte präventiv vor Schäden zu schützen, gilt es üblicherweise, selbstklebende Materialien im direkten Kontakt zum Werk zu vermeiden und möglichst auf reversible Methoden bei der Montierung zurückzugreifen.

Zudem gibt bei der Beleuchtung von Exponaten strenge Regularien. Denn eine zu hohe Lichtintensität – wie etwa durch Sonnenlicht – führt zu unerwünschten, vorzeitigen Alterungsphänomenen. So überrascht es nicht, dass die von Weidner konzipierte Präsentation im Europa-Center 2008 Spuren an den Fotografien hinterlassen hat: Heute befinden sich Rückstände von Retuschierfarbe und Selbstklebebändern sowie zahlreiche Fingerabdrücke und Kratzer auf den Objekten. Darf man den Fotografien eine erneute Präsentation also  überhaupt „zumuten“, wenn eine Wiederholung der Installation unter denselben Bedingungen zu erheblichen Veränderungen und weiteren Schäden führen würde? Sicherlich sind die Form der Montierung oder auch die Beleuchtungsintensität Stellschrauben, an denen im musealen Kontext „gedreht“ werden kann, um die originale Materialität zu schützen. Aber im Kontext von Installationskunst muss neben dem Material immer auch das Konzept des Werks gleichberechtigt  im Fokus der Erhaltung stehen. Es darf also nicht allein aus konservatorischer Motivation heraus verfälscht werden. Sollten die Transparente von 2008 daher vielmehr als die Dokumentation der ersten konkreten Ausführung von  „Let there be light“ verstanden werden, die problemlos durch Reproduktionen ersetzt werden können, um eine werkgetreue Präsentation zu ermöglichen? Würde es sich demnach nicht vielmehr um eine Medienkunstarbeit handeln, deren Bildinformation immer wieder auf das neueste Dateiformat bzw. in diesem Fall Trägermaterial migriert werden müsste, als um eine klassische Foto-Arbeit?

Soviel steht am Ende fest: jede Wiederholung von Weidners Installation wird Abweichungen miteinschließen, allein schon deshalb, weil das Werk zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine spezifische Raumsituation geschaffen wurde. Im Rahmen der konservatorischen Bearbeitung erfolgte  eine umfassende fotografische Dokumentation der Objekte, die Abnahme von Selbstklebebändern sowie eineUmlagerung. Denn auch wenn sich nicht alle gültigen konservierungsethischen Maximen – wie etwa reversible Montierung, die Erhaltung der originalen Materialität als oberstes Gebot oder die strengen Regularien zur Beleuchtung – eins zu eins auf Installationskunst anwenden lassen: Die Erhaltung der originalen Materialität trägt entscheidend dazu bei, werkrelevante Informationen wie Materialeigenschaften oder Präsentationsvorgaben zu sichern und und bildet somit die Grundlage für eine erneute, authentische Wiedergabe. 

Eva Elisa Wagner

…ist in Hannover als freie Restauratorin für Papier und Fotografie tätig und bearbeitete die Nachlassschenkung Sascha Weidners im Rahmen der Corona Förderlinie der Ernst von Siemens Kunststiftung

 

BU:  Sascha Weidner, let there be light, europacenter / Berlin, 2008 (www.saschaweidner.de/three/index.html)

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