4 Fragen an… Adrian Sauer

Im Zuge Deiner soeben beendeten großen Ausstellung bei uns im Sprengel Museum Hannover, wo Du als Preisträger des Spectrum Foto-Preises geehrt wurdest, kam bisweilen von Seiten der Besucher*innen die Frage auf: „Ist das überhaupt noch Fotografie?“ Man kann die Frage innerhalb einer engeren Foto-Fach-Szene aber auch noch zuspitzen bzw. umdrehen zu: Ist zeitgenössische (!) Fotografie im künstlerischen Kontext überhaupt noch ohne digitale Mittel denkbar?

Wir haben einen interessanten Punkt erreicht. Digitale Produktionsverfahren haben der Fotografie seit den 1990er Jahren einen großen Auftritt im Kunstmuseum geschaffen. Firmen, die sich mit Imaging und Werbung beschäftigen halfen Künstler*innen Bilder in Formaten herzustellen, die mit großen Gemälden herankommen konnten.

Es fand zu dieser Zeit ein Übersetzungsvorgang statt.

Wenn bei den Besucher*innen die Frage aufkommt, ob das, was sie sehen Fotografie ist,

In der Ausstellung waren Arbeiten aus vier Jahrzehnten zu sehen. Mit Ausnahme der Audioinstallation nutzen alle ziemlich direkt fotografische Methoden, Techniken und Verfahren. In den Arbeiten setze ich mich jeweils mit einzelnen Aspekten einer fotografischen Bildsprache auseinander. Diese einzelnen Aspekte, z. B. der Farbraum digitaler Bilder, werden selbst zum Bildgegenstand. So fehlt diesen Bildern auch immer etwas Anderes, das gewöhnlich in Fotografien enthalten ist.

In der Kunst sind immer Dinge möglich, die nicht denkbar scheinen. So entsteht interessante Kunst. Wir bekommen unerwartete Ergebnisse.

Gerade im künstlerischen Bereich ist gibt es bei den Techniken und Verfahren keine Einschränkungen. Es spricht nichts dagegen Werke ohne den Einsatz von digitalen Verfahren herzustellen. Die Frage, ob etwas Fotografie ist, würde ich dann von der anderen Seite stellen: Was ist denn an einer Arbeit Fotografie, wenn sie mit digitalen Mitteln hergestellt ist.

Im Moment befinden wir uns an einem interessanten Punkt im Übergang analoger zu digitalen fotografischen Bildproduktion. Während Bildbearbeitungsprogramme wie Adobe Photoshop mit ihren Werkzeugen noch Techniken aus der Welt der klassischen Fotografie imitieren,

Du interessierst Dich ganz augenscheinlich auch für die Vergänglichkeit der medialen Mittel, sprich: Papier, Druck-Techniken, Rahmungs-Formen. Wie siehst Du den zuletzt doch recht rasanten Verfall bestimmter technischer Möglichkeiten: bedauerlicher Verengung durch industrielle Vorgaben oder Lauf der Dinge/alles wird besser – oder was?

Ich interessiere mich für das Medium. Da es sich mit der technischen Entwicklung verändert, ist auch diese Veränderung interessant für mich. Als Künstler bin ich ein Beobachter dieser Prozesse und reagiere darauf. Fotografie war immer auf vielen Ebenen ein Spiegel ihrer Zeit. Nicht nur die entstehenden Bilder zeigen mehr oder weniger offensichtlich eine visuelle Realität. Die Entstehung eines fotografischen Biotops und die damit verbundenen Kulturtechniken sind gleichzeitig Ausdruck handwerklicher, industrieller und medialer Prozesse. Abschiednehmen hat immer zwei Seiten: Etwas geht vorbei aber es entstehen auch neue Räume. Was die Qualität neuer medialer Formen und Verfahren angeht, lässt sich pauschal kein Urteil abgeben.

Speziell im vergangenen Jahr ist das Interesse an KI in der Öffentlichkeit sprunghaft gestiegen, wenngleich es sich keineswegs mehr um eine wirklich neue Technik handelt. Wie siehst Du die Bedeutung von künstlicher Intelligenz für künstlerisches Schaffen?

Künstlerisches Schaffen und KI-Verfahren haben nichts miteinander zu tun. Kunst kann nur von Menschen gemacht werden. Sonst ist sie keine Kunst. Keines der aktuellen KI-Verfahren hat auch nur ansatzweise etwas Ähnliches wie ein Bewusstsein. Das wäre Voraussetzung für künstlerisches Schaffen. Wenn Künstler sich entscheiden KI als Ausdrucksmittel zu verwenden, ihre Bedingungen zu zeigen und ihre Eigenschaften zu erforschen, wird das ein Gewinn sein.

Da sehe ich keinen besondern Zusammenhang. So wie KI das Autofahren, Bedienungsanleitunglesen und Medienkonsumieren beeinflussen wird, wird sie auch das künstlerische Schaffen beeinflussen.

Das klingt vielleicht etwas paradox. Aber man muss sich vergewissern, dass die Begriffe künstlich und künstlerisch natürlich hier sehr unterschiedliche Phänomene Beschreiben.

Der Nobelpreisträger Christopher Pissarides warnte kürzlich davor, das KI vor allem MINT-Fächer haben wird. Dinge, die klaren strukturierten

Und jetzt kommt es: Um den aktuellen KI-Modellen interessante Ergebnisse zu entlocken ist ein großes Maß an Kreativität notwendig. Das ist ja die Paradedisziplin der Kunst.

Es hat mit Kunst nichts zu tun. Der Mensch ist aus diesen Systemen ausgeschlossen. Für Menschen sind sie letztendlich nicht interessant. Nur für Aktionäre. Sie sind ein Geschäftsmodell u

Radikalität des Umgangs mit den verfügbaren Daten. Was nicht als Datum verfügbar ist, findet nicht statt.

Die letzte Frage folgt oft einem wiederholten Interesse und bezieht sich auf Neuentdeckungen von jungen oder auch alten Positionen: Hat es in jüngster Zeit so etwas für Dich gegeben und worum handelt es sich?

Ich habe zuletzt zwei bemerkenswerte Ausstellungen gesehen: Die Arbeit „Es gibt keine Angst“ von Anna Zett in der Berlinischen Galerie. In einem eindringlich collagierten Video werden Fernseh- und Video-Bilder aus der Zeit des politichen Umbruchs in der DDR gezeigt.
Außerdem sah ich die Ausstellung von Emilio Prini im Macro in Rom. Seine gleichermaßen leichtfüßig und gewichtige Methode, mit Fotografien den Ausstellungsraum zu bestimmen, begeistert mich.

Mit bestem Dank an…

Adrian Sauer

…ist Künstler in Leipzig und Professor für Fotografie und generative Bildsysteme an der Hochschule Bielefeld

BU: Horst Doemoetoer: Porträt Adrian Sauer

1 Kommentar zu 4 Fragen an… Adrian Sauer

  1. Das Thema der zeitgenössischen Fotografie beschäftigt mich mit den von mir entwickelten Photo-Qubits sehr, auch weil ich aus der analogen fotografie komme und dem Original viel Vertrauen schenke.

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