Aussilberungen auf historischen Fotografien – Immanente Veränderung und kontroverse Behandlung

Wer sich mit historischen Fotoabzügen, Negativen oder Dias beschäftigt, hat das Phänomen sicher schon öfter angetroffen: Die Oberfläche schimmert metallisch, silbrig über grünlich bis bläulich, und mitunter ist dadurch auch die Darstellung verunklärt. Besonders in den dunklen Bereichen fällt die Veränderung auf, wenn anstelle satter Schwarztöne nun hell reflektierende, irisierende Silberschichten leuchten, die z.T. solarisierende Bildwirkungen erzeugen.

Das Phänomen wird als Aussilberung (seltener: Silberspiegel; engl.: silver mirroring, silvering out) bezeichnet und entsteht, wenn bei silberhaltigen fotografischen Materialien die Silberionen aus der Bildschicht heraus an die Bildoberfläche wandern. Die Silberionen können sich aus ihrer ursprünglichen Schichtenlage lösen, wenn hohe Luftfeuchtigkeit zu einer Quellung des Bindemittels führt, und wenn oxidierende Gase und Schadstoffe präsent sind, die zum Beispiel in der Umgebungsluft vorkommen oder aus Hüllen und Klebstoffen austreten können. An der Oberfläche angekommen, können die Silberionen durch einen Reduktionsprozess weiter reagieren und sich in den dunklen Bildbereichen anreichern. Die Aussilberungen können schwach ausgebildet sein, oder verlaufen über die gesamte Bildfläche und führen zu einem Dichtezuwachs. Bei gerahmten oder gestapelten Fotografien werden Aussilberungen häufig in den Randbereichen gebildet, da diese besonders zugänglich sind für Feuchtigkeit und schadhafte Gase. Die Sichtbarkeit des metallischen Silbers an der Bildoberfläche steht in Abhängigkeit zur Lichtreflexion und verändert sich bei wechselndem Lichteinfall und kann von kaum sichtbar bis hin zu stark irisierend reichen. Zur Dokumentation des Zustands (sowie einer erfolgten Behandlung) der Oberfläche ist die Ultraviolett-Reflektografie eine präzise Methode, da sie Oberflächenstrukturen sehr gut sichtbar macht. Dafür wird das Objekt mit ultraviolettem Licht bestrahlt, das reflektierte Licht auf 200-400 Nanometer gefiltert und aufgezeichnet.

Aussilberungen lassen sich präventiv-konservatorisch vermeiden, indem die Objekte in optimalem Klima und schadstofffrei aufbewahrt und präsentiert werden. Zu diesen vorbeugenden Maßnahmen kann auch die Ablösung, der Austausch oder die Absperrung schadstoffhaltiger Materialien gehören. Sind die Aussilberungen jedoch bereits aufgetreten, können nur noch invasive Behandlungen angewendet werden, die auch aufgrund ihrer mangelnden Nachhaltigkeit und Risiken kontrovers diskutiert werden. Drei Restaurierungsansätze sind hierbei am häufigsten: die physikalische Abtragung der Silberoberfläche durch Radieren oder Schleifmittel, die Applikationsmethode durch Auftrag von Lösemitteln oder Bindemitteln und die chemische Behandlung z.B. mit Iod-Alkohol. Ziel all dieser Behandlungen ist die Verbesserung der Lesbarkeit und ästhetischen Erfahrbarkeit des originalen Erscheinungsbildes, sowie die Sichtbarmachung wichtiger Bildinformationen.

Gegen die Abnahme von Aussilberungen spricht hingegen, dass die Materialveränderung ein für silberhaltige fotografische Technologien charakteristisches Phänomen ist, welches den historischen Wert des Objekts unterstreicht und die Bildoberfläche mit einer eigenen Ästhetik und einem Eigenleben bereichert. Die analoge chemische Materialität wird erlebbar. Silber ist ein wichtiger Rohstoff in der Geschichte der Fotografie; durch die Aussilberungen an der Bildoberfläche wird es uns möglich, diese Materialität zu sehen.

Aber auch ein Mangel an Nachhaltigkeit und Risiken einzelner Restaurierungsansätze macht die invasive Behandlung von Aussilberungen kontrovers: Bei der physikalischen Methode werden die Aussilberungen durch die Reduzierung nicht gestoppt, und mit jeder Behandlung wird das Original weiter abgetragen. Bei der Applikationsmethode können nicht reversible Interaktionen mit dem Original ausgelöst werden.Chemische Methoden wirken zwar potenziell stabilisierend, können aber auch unkontrollierbare Nebeneffekte am Original hervorrufen.Aus diesem Grunde gilt es, für jedes betroffene Objekt eine Entscheidung herbeizuführen, die alle Vor- und Nachteile genau in den Blick nimmt: Ob nur präventiv-konservatorisch, oder auch invasiv-restauratorisch gehandelt werden sollte, hängt von vielen Faktoren ab.

Jessica Morhard

…ist Fotorestauratorin am RED – Restaurierungszentrum Düsseldorf und leitet den Fachbereich.

BU: Silbergelatineabzug mit starken Aussilberungen auf der Fotooberfläche, insbesondere am unteren Bildrand links und rechts. Titel: Mutzli und Jim (Doppelportrait Martha Koch und Otto Dix), Fotograf: Hugo Erfurth, 1922, Stadtmuseum Düsseldorf, F47756. (© Foto: Jessica Morhard)