„Aus der Luft gegriffen“ oder kann Luft Fotografie tatsächlich schaden?

Schaut man sich heute Museumsdepots/Kunstdepots an, sind diese meistens vollklimatisiert. Die Temperatur und relative Luftfeuchte präzise auf gewünschte Werte einstellen zu können sowie das Bewusstsein dafür, wie wichtig ein stabiles Klima für die Langzeiterhaltung künstlerischer Fotografie ist, sind inzwischen gängiger Museums- bzw. Archivstandard. Doch wie genau verhält es sich eigentlich mit der Luft an sich?

Als nicht direkt sichtbares, alles umgebendes Medium ist sie allgegenwärtig und jedes Werk ist ihr mehr oder weniger ausgeliefert. Ist die Luftqualität in einem Depot oder Museum ungenügend, hat dies weitreichende Konsequenzen für ganze Sammlungen. Abseits von definierten Ausstellungsbedingungen und einem stabilen Klima können Schadgase still und leise Degradationsprozesse katalysieren oder auslösen. Da diese Problematik für uns nahezu unsichtbar, wenn nicht geradezu abstrakt ist, gerät sie zudem leicht in Vergessenheit.

Doch von welchen Substanzen sprechen wir im Falle von „Schadgasen“ genau und wie können Schadensphänomene dann letztendlich aussehen? Es geht um Stoffe, wie Stickoxide, Ozon, Formaldehyd oder auch saure und nitrose Gase. Während die letzteren beiden vor allem durch die Werke selbst abgegeben werden können, sofern sich in der eigenen Sammlung Celluloseacetat und/oder -nitrat befindet, was in Fotodepots keine Seltenheit ist, dringen Stickoxide und Ozon bei Frischluftzufuhr aus der das Gebäude umgebenden Außenluft in die Räumlichkeiten. Man ahnt vielleicht bereits, dass eine innerstädtische Lage in Bezug auf die Luftreinheit sicherlich allein unter diesem Gesichtspunkt nicht unbedingt vorteilhaft ist, denn durch Abgase von Fahrzeugen und Industrie akkumulieren sich diese in der Innenstadt.

Substrate für den Inkjetdruck, die wir heute in der zeitgenössischen Fotografie im Gegensatz zu konventionellen fotografischen Abzügen mehrheitlich vorfinden, bestehen aus einem Papierkern und unterschiedlichsten Beschichtungen, auf denen sich eine sogenannte Tintenempfangsschicht befindet. Diese Tintenempfangsschicht hat die Funktion ähnlich eines Schwammes, lässt sie doch die oftmals wasserbasierte Druckertinte möglichst schnell trocknen und fixiert das Farbmittel. Dieser Schwamm nimmt jedoch auch jeglichen Schadstoff aus der Umgebung auf und schließt diese in sich ein. Inkjetdrucke z.B. reagieren insbesondere sehr empfindlich auf Ozon, was sich dann letztendlich in einem Ausbleichen von Farbmitteln und einem Vergilben des Drucksubstrates manifestieren kann. Sofern man in Depots keine ausreichend gute Luftqualität hat, kann es sich als sinnvoll erweisen, Werke durch eine Rahmung bzw. Verglasung entsprechend zu schützen, oder eine Schadgasfilterung in die Belüftungstechnik eines Depots zu integrieren. Bei solch einer Anlage sind jedoch vor allem die Wartung und der ständige Austausch der Filter sehr kostenintensiv.

Man kann also konstatieren, dass es der künstlerischen Fotografie ähnlich ergeht wie uns Menschen, denn auch wir vertragen keine hohen Ozonwerte oder auch Akkumulationen von Stickoxiden in der Außenluft wie an heißen Sommertagen in der Stadt oftmals üblich, nur dass die Fotografie dann im Gegensatz zu uns im etwa 18°C kühlen Fotodepot optimal gelagert ist.

Kristina Blaschke-Walther

…ist Restauratorin für Fotografie am Sprengel Museum Hannover

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