Wo ist der Kunst-Markt für Fotografie? Teil 3: Generationenwechsel in die Leere?

Vor fünf Jahren habe ich die Frage nach der Situation des Kunst-Marktes für Fotografie bereits in zwei Beiträgen gestellt – und bin zu wenig Antworten, aber noch mehr Fragen gekommen. Für viele Beteiligte war dies sicherlich keine befriedigende Auskunft. Wie sieht es heute im „post-pandemischen“ Zeitalter aus?

Vielleicht ist die Frage gar nicht so falsch gestellt, wie sie zunächst erscheinen mag, denn die Fotografie schien während Corona gar nicht so schlecht positioniert in den ersten Jahren der 20er Jahre: Zunächst entfachte eine heftige Diskussion um ein Bundesinstitut, die mittlerweile zum Erliegen gekommen ist. Und zahlreiche Fotograf*innen profitierten zudem von der kompensatorisch aufgelegten Fördermaßnahme „Neustart Kultur“, was sich vor allem in zahlreichen Katalog-Publikationen artikulierte. Aber: signifikant mehr neue Galerien, die sich dem künstlerischen Medium widmeten, kann man wohl kaum entdecken. Die Eröffnung von „Fotografiska“ vor einem Jahr in Berlin fällt etwas aus der Rolle, aber ansonsten ist vieles beim Alten geblieben. Immerhin in Wien scheint einiges voranzugehen, wenn man Felix Hoffmann Glauben schenken darf.

Das belegt auch der Blick auf die Aussteller-Liste der vor uns stehenden Weltmesse für Fotografie, die ihre Stellung erhalten hat: Die Paris Photo kehrt im November an ihren angestammten Sitz in den Grand Palais zurück und zeigt auf dem deutschen Sektor kaum Veränderungen. Bemerkenswert ist vielleicht noch die Beobachtung, dass die deutsche Kunstmesse, die Art Cologne sich in diesem Jahr terminlich genau zeitgleich platziert hat. Offenbar ist die Fotografie für die deutschen Messemacher*innen von Desinteresse. Immerhin haben Anita Beckers und Thomas Zander an beiden Orten ihre Präsenz angesagt. Über die Kölner Ignoranz gegenüber einem künstlerisches Medium, das in den neunziger und frühen nuller Jahren ein internationaler Exportschlager war, kann man sich nur wundern.

Liegt das vielleicht an der mittlerweile stark relativierten Bedeutung der Fotografie für den Kunstmarkt? Ich habe schon vor fünf Jahren auf diese Problematik hingewiesen und gewinne den Eindruck, das sie sich verschärft hat. Denn die ehemaligen Weltstars sind in der Tat mittlerweile Altstars: Die Riege der Herren Thomas Struth, Jeff Wall, Hiroshi Sugimoto, der (einzigen) Künstlerin Cindy Sherman und Andreas Gurksy, aus welcher der Letztgenannter als Jüngster herausragt, weil er im kommenden Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, wird in Großausstellungen nach wie vor zelebriert. Eine gewisse Ernüchterung, um nicht zu sagen: Langeweile, hat dennoch teilweise bereits eingesetzt, so dass man schon fast verzweifelt – wie gerade in der angesehenen Kunstsammlung NRW – auf Quereinsteiger wie den zweifellos großartigen Schauspieler Lars Eidinger und sein überaus mediokres fotografisches „Werk“ zurückgreifen muss, um verzweifelt populäre Effekte zu produzieren.

Der Generation der Foto-Weltstars des Ausstellungswesens und auch des Kunstmarktes folgte eine Gruppe von Positionen, der aus Deutschland immerhin Thomas Demand und Wolfgang Tillmans (wenn man ihn geografisch auch dazu zählen möchte: auch Christopher Williams) zuzuordnen sind. Sie haben neben ihren Großausstellungen in der Heimat auch Einzelpräsentationen im einst renommierten MoMA aufzuweisen – was für deutsche Altersgenossen wie Jochen Lempert, Peter Piller und Heidi Specker leider nicht gilt. Dementsprechend scheint auch deren „Marktwert“ (wohl gemerkt: ich rede nicht von künstlerischer Qualität) noch verhalten zu sein.

Und danach wird es dann dünn mit den „Markt-Erfolgen“. Viele gute jüngere Positionen aus Deutschland scheinen den Sprung in höhere Preissegmente und auch Programme renommierter internationaler Galerien nicht geschafft zu haben. (Eine Ausnahme ist vielleicht Anette Kelm). Ist der Kunst-Markt für Fotografie aktuell hierzulande also in eine Leere gelaufen? Wer ist daran “schuld”? Ist es allein der böse Kommerz? – Ich frage in spätestens fünf Jahren erneut und hoffe auf ein weniger resigniertes Ergebnis.

PS (dank eines Hinweises von Anna Gripp): Passend zum Thema der Hinweis auf die steuerliche Benachteiligung der Fotografie im Kunstmarkt. Denn die Freude über die Wiedereinführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes im Kunsthandel ab Anfang 2025 ist getrübt davon, dass die künstlerische Fotografie nach wie vor benachteiligt bleibt. Der Deutsche Fotorat hat daher eine anonyme Umfrage erstellt und bittet um Teilnahme bis zum 15. Oktober 2024: https://deutscher-fotorat.de/umfrage-des-deutschen-fotorats-zur-ust-fuer-kuenstlerische-fotografie/

Stefan Gronert

…ist Kurator für Fotografie am Sprengel Museum Hannover

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