Nach der einsetzenden Akzeptanz der Fotografie im Kunst-Diskurs der Institutionen war es noch lange nicht möglich als freischaffender Künstler von seinen fotografischen Produkten zu leben. Ein wirklicher Boom des Marktes setzte erst in den neunziger Jahren ein. Die Foto-Ausstellungen schossen damals wie Pilze aus dem Boden. Nahezu keine Galerie, so erschien es, konnte mehr ohne fotografische Bilder im Programm überleben. Die „Düsseldorfer Schule“ triumphierte und das erste Gursky-Foto durchbrach auf dem Auktionsmarkt spielend die magische Grenze von 100.000 €. Wie aber beeinflusst der Markt das Geschehen heute? Viele „gute“ Fotograf*innen können von ihren Verkäufen kaum leben, während die „Stars“ des Marktes Millionen scheffeln: Artikuliert sich hier nur eine nach Mitleid heischende Neid-Debatte oder beschreibt dies eine prekäre Situation der Kunst selbst?
Allgemein gilt, dass jede Kunstform, so auch die Fotografie – und uns interessiert dieses Medium hier ja nur in seiner limitierten künstlerischen Ausprägung –, nicht frei von wirtschaftlichen Zusammenhängen zu sehen ist. Selbst wenn wir in Deutschland in einer wie auch immer verbrämten sozialen Marktwirtschaft leben, ist die gesellschaftliche Realität zugleich auch eine ökonomische Realität. Keine Fotograf*in kann ohne Verkäufe leben. Ausstellungshäuser zahlen keine Gehälter, aber Galerien tun dies. Welche Rolle spielen dabei die vermeintlich „neutralen“ Institutionen jenseits der dämonischen „Macht“ des Marktes? Oder sind diese auch schon infiltriert vom Markt?
Vor möglichen Antworten auf diese großen Fragen ist eine Bestandsaufnahme unumgänglich. Dazu dient der erste Teil unserer Überlegungen zum Kunst-Markt der Fotografie.
Ein kurzer Blick lässt erkennen, dass die allgemeine Lage der Fotografie noch vor wenigen Jahren als relativ positiv dargestellt wurde. Der Wochenzeitung „Die Zeit“ zufolge galt die Fotografie nach der Einschätzung deutscher Galeristen noch 2013 als die ökonomisch wichtigste Kunstgattung nach Malerei und Skulptur (vgl. https://www.zeit.de/kultur/kunst/2013-08/fotografie-kunstmarkt). Und der Hinweis auf die weiter astronomischen Steigerungen der Auktionsergebnisse einzelner Bilder von Andreas Gursky, die freilich in den Galerien sehr viel billiger sind, gehörten ebenfalls zum Standard-Repertoire der Euphoriker.
Allerdings blieben diese Auktionserfolge nur Ausnahmen. Denn schaut man einmal genauer hin, so ist es nur der Düsseldorfer Künstler, der ein enormes Level erzielte. 19 seiner Fotos erzielten bei Auktionen mehr als 1 Millionen € – wohl gemerkt nur eines davon innerhalb der letzten 5 Jahre. Die Bilder von Cindy Sherman, die einzige Frau in dieser Männer-Riege, übersprangen die Millionen-Hürde insgesamt 9-mal, während Jeff Wall, Hiroshi Sugimoto und Thomas Struth dies nur einmal gelang. Weit entfernt von solchen Preisen blieben Wolfgang Tillmans und Thomas Ruff, wobei Letzterer nicht einmal an die 250.000 € herankam.
Und wenige Jahre nach der reklamierten Euphorie änderte sich anscheinend der lang währende positive Eindruck, der aber eben auch nur von ganz wenigen “Stars” getragen wurde. Berücksichtigt man die Zahlen des Unternehmens Artprice, so wird deutlich, dass im Jahre 2017 insgesamt nur 2% des jährlichen Auktionsumsatzes durch Fotografie erzielt wurde (vgl. https://de.artprice.com/artprice-reports/der-kunstmarkt-2017/jahresbilanz-der-kunstmarkt-tritt-in-eine-neue-ara-ein). Die Fotografie nimmt also nur eine absolute Randstellung im Auktionswesen ein.
Eine ähnlich marginale Bedeutung besitzt sie aktuell auch im Programm der international führenden Galerien. Konsultiert man aktuell (Stand: März 2019) deren Homepages, so entdeckt man bei Gagosian ein Programm mit sage und schreibe 95 Künstler*innen, von denen aber nur sieben Positionen (Crewdson, Ethridge, Gursky, Lutter, Prince, Simon, Wall) dem Bereich Fotografie zuzuschreiben sind. Noch extremer das Verhältnis bei der Pace Gallery: 2 von 87 Künstler*innen (Avedon, Paul Graham). Etwas besser sieht es bei White Cube aus, wo vier von 51 Positionen (Gilbert & George, Gursky, Lassry, Wall) eine fotografische Ausrichtung besitzen. Besser ist hingegen das Verhältnis bei David Zwirner, wo es neun von 63 Positionen (Arbus, di Corcia, Douglas, Eggleston, Matta-Clark, Ruff, Tillmans, Welling, Williams) sind. Auch bei Thaddaeus Ropac sind es sieben von 67 Künstler*innen (Claire Adelfang, Elger Esser, Valie Export, Gilbert & George, Amos Gitai, Mapplethorpe, Irving Penn). Und auch bei Hauser & Wirth: sind es immerhin sieben von 83 Positionen (Förg, Rodney Graham, Roni Horn, Leonard, August Sander Family Collection, Lorna Simpson, Ian Wallace).
Aus der Reihe fallen eigentlich nur zwei Top-Galerien: Dazu zählt zum einen das Verhältnis von 16 Positionen mit fotografischem Inhalt von insgesamt 63 bei der deutschen Galerie Sprüth Magers (Baldessari, Becher, Demand, di Corcia, Fischli/Weiss, Gaillard, Gursky, Klein, Lamelas, Lawler, Mylayne, Pohl, Ruff, Sherman, Shore, Waters). Und auch bei Marian Goodman sind es 11 von 49 Positionen (Baldessari, Baumgarten, Dijkstra, Goldblatt, Goldin, Saunders, Struth, Sugimoto, Wall, Welling, Woodman), also fast ein Viertel des Galerie-Programms. Die beiden Letztgenannten zählen also fast schon zur Phalanx der Foto-Galerien…
Soweit die Fakten zur Spitze des Kunst-Marktes. Das Ergebnis ist – auf den ersten Blick – eher ernüchternd. Wo soll man Fotografie also (ver)kaufen? Es stellt sich mithin die Frage, ob die letztlich doch auffällig geringe Präsenz der Fotografie auf dem Kunst-Markt auch Ausdruck einer Krise des Mediums selbst ist? In einer nächsten Folge zum Thema gehen wir der Frage nach.
Stefan Gronert
…ist Kurator für Fotografie am Sprengel Museum Hannover
BU: Annette Kelm, Two Dollar Night, 2016
Ich will versuchen die Situation etwas plakativ und überspitzt darzustellen.
Ich denke das „Problem“ der Fotografie liegt tatsächlich im Medium selbst.
Für den durchschnittlichen, kunstinteressierten Käufer reiht sich die Fotografie bei den „technisch erarbeiteten Künsten“ ein. (Druckgrafik, Videokunst, Musik). Ganz im Gegensatz zu der Malerei, die ja ein „physisch erarbeitetes“ Schaffenswerk des Künstlers repräsentiert und damit quasi „einmalig“ und „direkt“ an den Künstler gebunden ist, erzeugt der Fotograf seine Kunst nicht „direkt“ und auch nicht “einmalig”. (vom Künstler handbemalte Leinwand vs. Druck auf Fotopapier/Laborabzug – mehr braucht man wohl nicht sagen)
Ok, das wäre, wenn wir allein nur die künstlerische Qualität des Werkes (Malerei vs. Fotografie) betrachten, erst mal nicht weiter schlimm.
Doch nun kommt der Käufer ins Spiel. Und der bei weitem umsatzstärkste Markt ist der bis ca. 3.000 Euro. Diese Kunden wollen in der Regel „etwas bekommen“ für ihr Geld. Die Investition soll sich neben der Tatsache dass sie gefällt, auch irgendwie lohnen – also die Kaufentscheidung rechtfertigen. Und jetzt fängt es an schwierig zu werden, weil:
1. Soziale Anerkennung und Bewunderung allein über den bezahlten Preis, ist hier nicht zu erzielen.
2. Originale von „Große Namen“ bekommt man in diesem Preissegment auch nicht.
3. Der Künstler ist, in diesem Preissegment in der Regel, nicht im Kunstmarkt abgebildet (unbekannt).
4. Das Werk als Kapitalanlage, scheidet auch aus (wegen 2. und 3.)
also was machen? Denn wenigstens Kunst soll es doch sein, die über dem Sofa hängt. Es wird auf gelernte/erlebte Erfahrung zurückgegriffen:
1. Im Museum: 88 % Malerei, 10 % Plastik, 2 % Fotografie
2. Auf den Kunstmessen: 85 % Malerei, 8 % Plastik, 7 % Fotografie
3. In den Galerien: 85 % Malerei, 8 % Plastik, 7 % Fotografie
4. Auf den Auktionen: 88 % Malerei, 10 % Plastik, 2 % Fotografie
5. Die allgemein bekannten, teuersten Künstler: 100% Malerei
6. den Künstler allgemein gibt es schon seit über 500 Jahren, Fotografie als breit akzeptierte Kunstform vielleicht seit 50 Jahren.
Damit ist rein Quantitativ belegt – Kunst ist vornehmlich Malerei. Und was macht der verunsicherte Kunstkäufer? Er kauft Malerei mit der Gewissheit: „das ist ein „echtes Kunstwerk“, es ist Malerei ein „signiertes Original“ und damit Einzigartig (selten = kostbar) und bedarf weit weniger Kaufrechtfertigung als bei einer Fotografie.
Deshalb wird Fotografie im Kunstmarkt noch eine Weile ein “Nischenmarkt” bleiben.
Zum Trost: Es ist ja die letzten 30 Jahre schon eine ganze Menge passiert und das Sprengel-Museum und auch Andere leisten einen klasse Beitrag das sich auch weiterhin daran etwas ändert. 🙂
Eigentlich ein Armutszeugnis wie wenig die durch diese Topgelarien abgebildeten fotografischen Positionen die moderene und zeitgenössische Fotografie wiedergeben… naja.
Vielen Dank! “Keine Fotograf*in kann ohne Verkäufe leben. Ausstellungshäuser zahlen keine Gehälter” grade dies scheint oft vergessen zu werden. Es ist schon eigenartig “Kunsthäuser” im weitesten Sinne existieren ja nur aufgrund der Kunst die sie zeigen. Dennoch ist es selbstverständlich dass man den Laudator bezahlt, das Aufsichtspersonal, den Kurator, die kulinarische Versorgung und den Musik / DJ der vielleicht zu Vernissage spiel (klar) nur einer wird nicht bezahlt, der Künstler der die Räume bespielet? Sein Lohn ist der Ruhm die Ehre und vielleicht schließen sich Verkäufe an – dies ist aber wie sie zu Recht ausführen sehr unwahrscheinlich. Große Fotografien in eine sehr gute Qualität herstellen zu lassen ist teuer, und diese Kosten trägt der Fotograf. Sein Prinzip ist Hoffnung und Leidenschaft betriebswirtschaftliche gesehen müsste er die Arbeit sofort einstellen. Vielleicht sollte man das Vergütungssystem mal überdenken oder zumindest kostenlose Verkaufsplattformen (Messen) für Fotografen anbieten oder eine “Gleichstellung und Quote” für Fotograf*in im Galerie und Ausstellungsbetrieb fordern (ehr ein Scherz). Aber wenn sie eine zündende Idee habe wie die Fotografie beim Verkauf bessergestellt werden kann, freu ich mich sehr auf den kommenden Teil …