Tagtäglich werden wir mit weltpolitischen Hiobsbotschaften überschwemmt, so scheint es. Morgens graust einem schon vor der Lektüre der Tageszeitung. Dass sich auf der Ebene der Fotografie in diesem Jahr dafür sehr viel Gutes oder zumindest Hoffnungsvolles ereignet, gerät leicht in Vergessenheit. Bemerken wir vielleicht gar nicht, dass wir uns aktuell in einer Wendezeit befinden? Wird also 2025 als ein zentrales Foto-Jahr in die Annalen eingehen?
Wie kommt zu einer ebenso euphorischen wie anachronistisch anmutenden Zeit-Diagnose? Obwohl es doch in diesem Jahr (zum Glück) keine Documenta und keine Biennale in Venedig gibt – die für die Foto-Szene (mit Ausnahme der siebziger Jahre) tatsächlich auch nie die überragende Rolle gespielt haben. Ich zähle nur einmal auf: Soeben geht ein mehr als bemerkenswerter Berliner European Month of Photography, kurz: EMOP, zu Ende, der nicht zuletzt in seiner Hauptausstellung ein richtig starkes Statement gesendet hat. Berlin war nicht nur wegen des sich scheinbar stets neu erfindenden C/O Berlin mit so einer leistungsstarken Biennale eine Reise wert, hat einen internationalen Standard für Fotografie etabliert.
Soeben ist auch – nach mehr als dreijähriger Vorbereitung – das Foto Arsenal in Wien neu eröffnet worden: ein im deutschsprachigen Raum in Zukunft sicher auch unübersehbarer Ort, dessen weitere Aktivitäten mit vertrauensvoller Spannung (in den nimmermüden Felix Hoffmann und sein Team) erwartet werden dürfen. Wird sich dort ein neues oder ein anderes C/O etablieren?
Hinzu kommt in Kürze eine weitere Institution, denn auch das vielleicht innovativste Fotomuseum der vergangenen Jahrzehnte, das Fotomuseum Winterthur, wird nach umfangreichen Renovierungen wiedereröffnet. Die ästhetische Vielfalt des zeitgenössischen Mediums Fotografie wird auch hier sicherlich weiterhin in schillernder Form und mit Rücksicht auf seine gesellschaftspolitische Relevanz vorgeführt.
Und nicht zu vergessen die Gewohnheiten der reisefreudigen Szene-Traveller, die sich von den Sorgen um ökologische Fußabdrücke in ihrer Lust nicht bremsen lassen wollen und das Erlebnis der fotografischen Originale und die Zusammenkunft mit Gleichgesinnten nicht missen wollen: man reist enzsprechend – diesmal erst im Juli – zu den Rencontres nach Arles, im November zur wahrlich unverzichtbaren Paris Photo und wenig später vielleicht auch zur Verleihung des Deutschen Fotobuch-Preis Ende ins süddeutsche Regensburg – wie immer.
Das alles scheint schon fast genug. Aber da war doch noch etwas? Etwas, was nach zum Teil hitzigen Debatten zu Beginn dieses Jahrzehntes mittlerweile schon beinahe in Vergessenheit geraten ist? Richtig: wir dürfen wohl in Bälde auch etwas Konzeptuelles von der seit Herbst 2023 tagenden Gründungskommission zum Deutschen Fotoinstitut, oder wie immer es heißen wird, erwarten. Kaum etwas dringt von dort nach außen – was der Diskussion der Sache vermutlich guttut. Bei bloßen Verkündigungen von wünschenswerten Projekten (oder gar Gebäuden, die sinnvoller als sind als der vor fünf Jahren hier bereits abgebildete Entwurf) sollte es in diesem Zusammenhang dann auch nicht bleiben, sondern vielleicht auch zu einer Ankündigung konkreter Pläne seitens der Politik. Konkrete Aktivitäten müssen rasch in Angriff genommen werden.
Und sollte all dies gelingen, dann wird man rückblickend wohl zweifellos von einem Wendejahr 2025 sprechen.
Stefan Gronert
…ist Kurator für Fotografie am Sprengel Museum Hannover