Mediale Anschlussfähigkeiten – Verstreute Bemerkungen

Warum sind viele Foto-Austellungen, die wir heute sehen, nicht mehr medien-treu? Haben wir nicht ein Recht auf pure Fotografie? Früher gab’s so was doch gar nicht, denn wer hätte sich schon einen Albert Renger-Patzsch oder einen André Kertész als Filmemacher oder als Maler vorstellen können?

Tatsächlich gab es das früher auch, sagt der Kunst-Historiker: Der wunderbare Fotograf (oder besser: Fotobuch-Künstler) Ed Ruscha hat immer auch gemalt, genauso wie John Baldessari und selbst von den Bechers oder Jeff Wall gibt es Ausflüge in andere Medien – ob wir jene wahrgenommen hätten, wenn sie nicht durch deren (berühmte) Autorschaft als Fotografen exponiert worden wären, sei mal dahingestellt. 

Versuchen wir diese marginale Beobachtung etwas systematischer zu fassen: Die Verwandtschaft der Fotografie zur Malerei ist oft betont worden. Historisch gründet sie in den Anfängen des Mediums im 19. Jahrhundert und ihren mimetischen Annäherungsversuchen. Im 20. Jahrhundert wurde sie nach 1945 in der Gestalt einer Malerei-Kritik, also unter veränderten Vorzeichen, wieder aufgegriffen. Der legendäre, von Erika Billeter 1977 im Zusammenhang einer großen Ausstellung des Kunsthaus Zürich publizierte Band mit dem Titel „Malerei und Photographie“ liefert dazu einen umfangreichen Überblick. Das gehört in jede Foto-Bibliothek. Und mit dem Einbruch der digitalen Technik hat das Thema in den neunziger Jahren eine neue Aktualität gewonnen. Mittlerweile, man betrachte beispielhaft das vielfältige Werk von Wolfgang Tillmans, ist es ganz selbstverständlich, dass man dokumentarische und abstrakte Ansätze in einem einziger Oeuvre zusammenfassen kann. Kein Problem oder besser: kein Thema mehr? Dreht man den Blick so muss man im Feld der Malerei längst auch nicht mehr den Fotorealismus oder Gerhard Richter als Beispiele bemühen. Im Hinblick auf einen Zeitgenossen wäre eher Wade Guyton zu nennen. Wie auch immer: Was beide Medien kategorial verbindet oder verbinden kann, ist die Insistenz auf dem Einzelbild  (- falls die Fotografie hier mitspielt).

Ähnliches läßt sich über die Beziehung zwischen der Fotografie und der Skulptur sagen, die ebenfalls mehrfach systematisch in Ausstellungen beleuchtet wurde: 1970 bereits vom damals noch anregenden New Yorker Museum of Modern Art mit der Ausstellung “Photography into Sculpture” und 2010 dann (wieder mit dem Kunsthaus Zürich) in „FotoSkulptur: Die Fotografie der Skulptur“ – sollte man auch im Regal haben. Als zeitgenössische Klassiker*innen sind hier Laurie Simmons, James Casebere, Thomas Demand bis hin zu Christine Erhard und Walead Beshty zu nennen. Origineller ist im Hinblick auf diesen medialen Dialog die Frage nach der Veränderung der Skulptur durch die Fotografie, welche die beiden Bildhauer Bogomir Ecker und Reinhard Kummer angeregt und 2014 unter dem Titel „Lens Based Sculpture“ in eine Ausstellung und einen brillanten Katalog überführt haben.

Was in den letzten Jahrzehnten aber immer dominanter geworden ist im Hinblick auf die “unreinen” Ansätze einzelner Künstler*innen ist die Gleichzeitigkeit von Fotografie und Video, dem stillen, oftmals seriell angelegten und dem bewegten Bild. Oder täusche ich mich? Als historische Referenzfiguren fallen mir in dieser Hinsicht spontan Katharina Sieverding und Ulrike Rosenbach bis hin zu Rineke Dijkstra oder Fiona Tan ein. – Moment mal: ist diese Kombination also prioritär bei Künstlerinnen beliebt oder war die voran stehende, überwiegend männlich dominierte Namensauflistung nicht erneut ein vermeintlich unschuldig vorgetragenes Beispiel für eine männlich fixierte Kunstgeschichtsschreibung? Vielleicht, ja sogar: wahrscheinlich sind beide Antworten richtig. Da gibt’s also noch so einiges zu tun für die Forschung – sagt selbst der Mann und greift umgehend zu dem aktuellen Bestseller von Katy Hessel „The Story of Art Without Men“ – übrigens hat die Autorin, wir leben ja im 21. Jahrhundert und sind medial anschlussfähig, auch einen tollen Podcast entwickelt.

Zum Schluß sind wir also bei einem anderen Thema gelandet, einem, das alles andere durchzieht. Vielleicht also ist die Frage nach dem Medium gar nicht so wichtig…

Stefan Gronert

…ist Kurator für Fotografie am Sprengel Museum Hannover

BU: Laurie Simmons, Blonde/Red Dress/Kitchen, 1978

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