Auf der Suche nach Licht im Dunkel. Ein Symposium der DZ BANK Kunstsammlung

In den vergangenen Jahren hat es unzählige Symposien zu aktuellen Entwicklungen der Fotografie in der Kunst gegeben – das stellen auch die Referentinnen des von der DZ BANK Kunstsammlung ausgerichteten Symposiums Licht ins Dunkel. Wohin entwickelt sich die künstlerische Fotografie? am 8. und 9.10.2020 in Frankfurt fest. Die vielen Veranstaltungen attestieren letztlich, wie händeringend nach Umgangsformen und Begrifflichkeiten angesichts dieses facettenreichen Mediums gesucht wird. Zeitgenössische fotografische Verfahren bestehen eben längst nicht mehr darin, die Kamera auf ein Objekt zu richten und motivische Aspekte abzubilden. Vielmehr lässt sich beobachten, dass Gattungsgrenzen obsolet geworden sind und der Terminus der „künstlerischen Fotografie“ diese Entwicklungen daher angesichts der Fülle von Materialien und Techniken nur unzureichend fasst.

Man könnte behaupten, die Bildtheorie befinde sich in einer Schleife, wie es Hubertus von Amelunxen zu Beginn seines Vortrags formulierte. Aber sind es nicht gerade der stete Austausch und die vielen unterschiedlichen Blickwinkel geisteswissenschaftlicher Disziplinen, die durch eine Überprüfung bestehender Theoreme und vergangener künstlerischer Arbeitsweisen in der Lage sein könnten, die Unschärfen des Mediums zu schleifen? 

Barbara Filser schlug den Begriff der „Kunst mit Fotografien“ vor, als sie die Fotografie als Readymade im Kontext von Body Art, Konzeptkunst oder Performance untersuchte. Auch strukturalistische Termini und der mittlerweile gängige Begriff des “Postfotografischen” im Hinblick auf zeitgenössische Appropriationen, wie Eva Schürmann referierte, können den heutigen Körper der Fotografie weiter ins Relief setzen. Im Frankfurter Symposium wurde ein Programm zusammengestellt, das zwei Seiten fotografischer Betrachtungen gegenüber stellte: Während die Vertreterinnen der Geisteswissenschaften sich über historische Rückgriffe und -blicke begriffliche Werkzeuge erarbeiten – und dies am Beispiel klassischer Präsentation, im Sinne des gerahmten Abzugs –, referierten die Künstlerinnen über Arbeitsweisen der Gegenwart, die dieser Form nicht mehr entsprechen und sowohl skulpturale als auch immaterielle Werkbegriffe formulieren.

Katharina Sieverding präsentierte ein Werk, das seit vielen Jahrzehnten mit zahlreichen fotografischen Mitteln – Solarisation, Cropping, Rayographie und vielem mehr – experimentiert und das nicht allein medientheoretisch, sondern auch bild- und gesellschaftsanalytisch argumentiert. Dem gegenüber stehen die Arbeiten ihrer jüngeren Zeitgenoss*innen. Jochem Hendricks verfolgt gattungsübergreifende Projekte und diskutierte mit dem „Revolutionären Archiv“ im Modus der Aneignung Fragen über Autorschaft, historische Zusammenhänge sowie das Verhältnis von Kunst und Realität. Digitalen Bilderzeugnissen und Prozessen widmen sich dagegen auf unterschiedliche Weise Beate Gütschow und Viktoria Binschtok. Während sich Binschtok aus dem Bilderpool des Internet bedient und fotografische Wandinstallationen schafft, kreiert Gütschow mittels digitaler Bildprogramme Tafelbilder. Beiden Werken ist gemein, dass ein von den Künstlerinnen erzeugtes Foto in Beziehung zum digitalen Bild gesetzt wird – ob als Oberfläche einer 3D-Animation oder als Referenz für algorithmisch erzeugte Cluster.

Angesichts der Verwendung von Exhibition Prints, aber auch streitbarer Ausstellungspolitiken oder fragwürdiger Museumsankäufe durch öffentliche Mittel könnte man auch behaupten, dass der Tod der Kunst ein weiteres Mal eingetreten ist; nicht etwa durch reproduzierende Verfahren, sondern durch die „pure Verflachung der Gemüter und Wahrnehmungen“ (von Amelunxen). Aber zeigt nicht gerade die wiederkehrende Zusammenkunft von Künstler*innen, Kurator*innen und Wissenschaftler*innen, dass offene Fragen beantwortet werden wollen und dass es gilt, einer desideraten kritischen Aufklärung der Gesellschaft Genüge zu tun? Das ist keineswegs eine einfache Aufgabe, in einer Zeit, in der das fotografische Bild längst im Alltag jeder Einzelnen zumeist unbedacht verwendet wird. Dieser Herausforderung versuchten die referierenden Museumsvertreter*innen innerhalb geradezu konträrer Arbeitsbedingungen zu begegnen. Mit dem Sprengel Museum Hannover stellte Stefan Gronert ein Haus vor, das Ausstellungen lange und akribisch im Voraus plant und entsprechend unflexibel auf aktuelle künstlerische Tendenzen reagiert. Hinzu komme ein ins Ungleichgewicht geratenes Verhältnis von privaten und öffentlichen Sammlungen, das zunehmend kritisch betrachtet werden könne. Dem steht das von Nadine Wietlisbach vorgestellte Fotomuseum Winterthur gegenüber. Dort wird versucht, der Schnelllebigkeit und dem stetigen Wandel des Mediums durch kurzfristig geplante Ausstellungsformate und im direkten Austausch mit jungen Künstlerinnen gerecht zu werden, nicht ohne rückblickend jedes Projekt als ein erfolgreiches abschließen zu können.

Überlegungen zu zukünftigen Entwicklungen stellte letztlich keine der Referent*innen an, denn die Gegenwart gibt genug Anlass zur Diskussion. Es kann und sollte aber auch nicht das Ziel sein, abschließende Antworten zu finden, sind wir doch mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem klar ist, dass Kanonisierungen zu Exklusion, Marginalisierung und Diskriminierung führen. Insofern ist jedes Symposium – der lebendige, kontroverse Diskurs, das Suchen, nicht das Finden von Interdependenzen – eine wichtige Möglichkeit, den Entwicklungen fotografischer Ausdrucksformen, von denen die DZ BANK Kunstsammlung nun spricht, auf der Spur zu bleiben.

Das Symposium wurde aufgezeichnet und kann via Youtube abgerufen werden.

Katharina Zimmermann

… ist freie Kuratorin und Kunsthistorikerin in Gelsenkirchen

 

BU: (von links nach rechts) Dr. Barbara Filser (Institut Kunst- und Baugeschichte des KIT, Karlsruhe), Jochem Hendricks (Künstler, Frankfurt), Katrin Thomschke (freie Kunsthistorikerin, Frankfurt), Prof. Dr. Hubertus von Amelunxen (Kulturwissenschaftler, Kurator und Autor, Berlin), Dr. Christina Leber (Leiterin DZ BANK Kunstsammlung), Viktoria Binschtok (Künstlerin, Berlin), Dr. Stefan Gronert (Kurator für Fotografie und Medienkunst, Sprengel Museum, Hannover), Nadine Wietlisbach (Direktorin, Fotomuseum Winterthur), Prof. Beate Gütschow (Künstlerin, Kunsthochschule für Medien, Köln)

1 Kommentar zu Auf der Suche nach Licht im Dunkel. Ein Symposium der DZ BANK Kunstsammlung

  1. “… Überlegungen zu zukünftigen Entwicklungen stellte letztlich keine der Referent*innen an …” ja treffend gesagt. Das ist das enttäuschende an der Veranstaltung, die ich besuchen wollte – und mir jetzt online angetan habe. Immerhin Frau Binschtok thematisiert die Arbeit mit dem Netz und wie Frau Beate Gütschow zu Ihren Bildern kommt ist auch interessant zu sehen. Furchtbar banal die Selbstdarstellung von Frau Sieverding (sorry das muss einfach gesagt werden). Wenn das Thema “Licht ins Dunkel” lautet, haben Frau Thomschke und Nielsen leider wenig zur Erhellung der fotografischen Zukunft beigetragen.

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