Zweiklassengesellschaft in der fotografischen Materialität?

Schaut man sich den Ehrenkodex von Restaurator*innen an, ist dort klar in Artikel 7 konstatiert „Unabhängig von Meinungen zum Marktwert des kulturellen Erbes ist es die Pflicht des Restaurators nach höchstmöglichen Standards zu arbeiten“. Dies heißt, dass für Restaurator*innen alle Objekte gleich zu betrachten sind und auch entsprechend behandelt werden sollen. Doch ist das in der Praxis tatsächlich immer so umsetz- und lebbar?

In Archiven lagern zum Beispiel unzählige Mengen an fotografischem Material. So beherbergt allein das Bundesarchiv etwa 15 Mio. Bilder. Anders als Museen suchen sich Archive die eingehenden fotografischen Bestände nicht selbst aus, sondern unterliegen klaren gesetzlichen Bestimmungen, was zu übernehmen ist und was nicht. So geht es dort häufig um Mengenbewältigung und eher selten um Einzelrestaurierungen, es sei denn entsprechende Objekte sind explizit für die Benutzung angefragt. Die präventive Konservierung hat für derartige Mengen noch einmal eine immense Bedeutung, da geeignete und gute Umgebungsbedingungen hier allen Objekten gleichermaßen nützen. Für Materialien wie Cellulosenitrat oder- acetat, die zum Teil schwierigen gesetzlichen Bestimmungen bei der Lagerung unterliegen, wird immer wieder die Frage der Kassation diskutiert, womit die Entsorgung solcher Materialien gemeint ist. Für Restaurator*innen sehr zwiespältig, sind wir doch laut Ehrenkodex Artikel 15 dem Erhalt jeglichen Materials verpflichtet.

Doch wie verhält sich dies eigentlich im musealen Kontext? Hier gibt es deutlich häufiger die Chance auf Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen am Einzelobjekt, da diese im Zuge von Ausstellungen oder im Rahmen von Ausleihen entsprechend durchgeführt werden können. Für Restaurator*innen gilt auch hier der Grundsatz, dass alle Fotografien gleich zu behandeln sind. Im Vergleich zu Archiven sind die Sammlungen vergleichsweise klein. Neu zugehende Fotografien können selbst ausgewählt und deren Zustand bestenfalls bereits vor Eingang mitberücksichtigt werden, sodass aus konservatorischer Sicht problematische Werke seltener aufwendig weiter zu versorgen sind.

Geht es jedoch um Versicherungsbedingungen kann dies schon anders aussehen. Allein aufgrund der Höhe des Versicherungswertes eines Kunstwerkes kann eine Kurierbegleitung obligatorisch sein, welche durch die Versicherung selbst verlangt wird, unabhängig des ansonsten dafür eher maßgeblichen Zustands des Werkes. So macht es hier eben doch einen Unterschied, was für ein Originalobjekt ausgeliehen wird, ob ein Archivabzug oder ein Gursky. Dies steht im deutlichen Gegensatz zum Ehrenkodex von Restaurator*innen. Glücklicherweise sind Institutionen frei darin zu entscheiden, wann solch eine Notwendigkeit dennoch rein aus konservatorischen Gründen besteht.

Abschließend lässt sich festhalten: für Restaurator*innen sind alle Originale gleich. Daran ändert auch ein Markt- oder Versicherungswert nichts, den man bestenfalls gar nicht kennt.

Kristina Blaschke-Walther

…ist Fotorestauratorin und Leitung Restaurierung am Sprengel Museum Hannover.

BU:  Claus Goedicke, Geld, aus der Serie „Dinge“, Tintenstrahldruck, 2013, Sammlung Niedersächsische Sparkassenstiftung im Sprengel Museum Hannover