Ordnung ist das halbe Leben – Die Aufarbeitung von Umbos dokumentarischem Nachlass

2016 gelangte der dokumentarische Nachlass des Fotografen Umbo als Schenkung seiner Tochter Phyllis Umbehr in den Besitz des Sprengel Museums. Acht Umzugskartons prall gefüllt mit Korrespondenzen, Notizen, Tagebuchaufzeichnungen, Rechnungen, Einladungen zu Ausstellungen, Belegexemplaren und natürlich abertausenden Abzügen und Negativen aus den Jahren ab 1945. Doch was bedeutet die Annahme eines solch umfangreichen Konvolutes in der Praxis eigentlich für ein Museum?

Bereits in der großen Retrospektive, die 2019 im Sprengel Museum unter dem Titel „Umbo. Fotograf“ gezeigt wurde, ergänzten Teile dieser Schenkung die Ausstellung. Eine umfassende Aufarbeitung des Nachlasses hatte im Vorfeld jedoch noch nicht stattgefunden. Die Erschließung von Nachlasskonvoluten stellt ein Ausstellungshaus vor massive Herausforderungen. Denn zum einen bindet die inhaltliche Erschließung und materielle Sicherung in nicht unerheblichem Umfang Arbeitskraft und finanzielle Mittel – Ressourcen, die im laufenden Betrieb eines Museums nur begrenzt zur Verfügung stehen. Zum anderen stoßen Institutionen bei der Unterbringung derartiger Konvolute an ihre räumlichen Grenzen. Angesichts dieser Umstände ist es also keineswegs selbstverständlich, dass der Nachlass von Umbo überhaupt seinen Weg ins Museum gefunden hat und sogar für die Dauer eines Jahres die Mittel für eine wissenschaftliche Aufarbeitung und Umlagerung zur Verfügung standen.

Aus kunstwissenschaftlicher Sicht ist ein solches Konvolut eine wahre Schatzgrube, die nicht nur Aufschluss über den Künstler und sein Werk gibt, sondern auch einen hohen zeithistorischen Wert hat. Aus konservatorischer Sicht ist die Aufnahme eines Nachlasses in den Museumsbestand hingegen mitunter höchst problematisch. Denn im Gegensatz zu künstlerischen Nachlässen enthalten dokumentarische Nachlässe eine Vielzahl von Alltagsobjekten verschiedenster Materialität, die durch Gebrauch und unsachgemäße Lagerung stark beansprucht wurden. Doch aufwendige Maßnahmen an einzelnen Objekten konnten mit Blick auf begrenzte zeitliche Ressourcen allein schon wegen des Umfangs nicht als Zielstellung formuliert werden. Daher musste im engen interdisziplinären Austausch mit der zuständigen Kuratorin eine Strategie für die Priorisierung und Erhaltung festgelegt werden. Ausgang war die Sichtung und Sortierung des Nachlasses: Welches Material ist in welchem Umfang vorhanden? Wie sind die Teilbestände aus kunstwissenschaftlicher Sicht zu bewerten? Dieser Prozess ist insbesondere dann sehr arbeitsintensiv, wenn ein Künstler seine Werke und Dokumente zu Lebzeiten nicht geordnet und bewusst entschieden hat, was aus seiner Sicht aufbewahrungs- und erhaltenswert ist. Denn so viel ist sicher: Umbos Schriftnachlässe dürften von größerem Forschungsinteresse sein, als die gesammelten Unterlagen seiner Kfz-Versicherung. Nichtsdestotrotz sollte das Konvolut als Ganzes möglichst vollständig bewahrt werden. Aussortiert wurde deshalb nur, was in identischer Ausführung mehrfach vorhanden ist, beispielsweise Zeitschriften oder Einladungskarten. Nach der Klassifizierung konnten die einzelnen Dokumente und Konvolute inventarisiert, verschlagwortet und beteiligte Personen in der Museumsdatenbank erfasst werden. Parallel erfolgte die Umlagerung in Hüllen und Archivboxen, die den konservatorischen Anforderungen zur Langzeitaufbewahrung entsprechen. Dabei wurden auch rostige Metallklammern oder säurehaltige Mappen entfernt, nicht jedoch ohne diese fotografisch zu dokumentieren und einzelne Muster aufzubewahren, sodass authentische Merkmale des Nachlasses erhalten bleiben. Objekte, die etwa aufgrund von mikrobiellem Befall oder starker Deformation zwingend eine weitere konservatorisch-restauratorische Behandlung benötigten, wurden zunächst separiert.

Während des Bearbeitungszeitraumes wurde so die Grundlage dafür geschaffen, die vielfältigen Zeugnisse aus dem privaten, beruflichen und künstlerischen Leben Umbos nachhaltig zu sichern und somit auch die Basis für eine perspektivische Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit. Wesentliche Teilbestände aus Umbos Nachlass – wie etwa die Korrespondenz und die Abzüge – konnten in diesem Zuge erschlossen werden. Für das Negativmaterial und viele andere Teilbeständen steht diese Mammutaufgabe noch bevor.

Eva Elisa Wagner

…ist in Hannover als freie Restauratorin für Papier und Fotografie tätig.

 

BU: M. Tooren-Wolff, Ohne Titel, Umbo in seiner Wohnung, um 1975

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