Zahlreiche Anfragen, Nachlässe künstlerischer Fotografie in den Bestand aufzunehmen, erreichen Museen mit fotografischen Sammlungen in jedem Jahr. In den meisten Fällen müssen diese Gesuche jedoch aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden. Dass diese Problematik bekannt ist und diese nicht zuletzt in einem Bundesinstitut für Fotografie münden soll, zeigte sich in den zahlreichen Diskussionen zum Umgang mit Fotonachlässen in den vergangenen Jahren. Doch worin besteht eigentlich im Blick auf die Materialität die Problematik im Umgang mit derartigen Nachlässen?
Zuerst einmal bestehen Nachlässe von Fotokünstler*innen nicht nur aus autorisierten Prints, die im Museum in Ausstellungen an der Wand präsentiert zu finden sind. Oftmals sind darin auch diverse Archivmaterialien wie Bücher, Korrespondenzen, Arbeitsprints, „found footage“-Materialien und nicht zu vergessen Negative analoger Fotografie und/oder Dateien von digital arbeitenden Fotograf*innen zu finden. Allein an dieser Aufzählung wird bereits deutlich, dass sich die Sache im materialtechnischen Sinne vergleichsweise komplex gestaltet. Aus diesem Grund wären streng genommen bereits drei verschiedene Disziplinen der Konservierung und Restaurierung zu beteiligen, nämlich: Papier, Fotografie und digitale Medien. Die wenigsten Häuser haben Spezialist*innen auf allen dieser Gebiete. Wäre es deshalb nicht auch eine schlüssige Überlegung, in allen mit Nachlässen befassten Institutionen Restaurator*innen aus diesen angrenzenden Materialitäten für den vollumfänglichen Erhalt dieser zu gewinnen?
Betrachtet man Foto-Nachlässe im Kontext eines Kunstmuseums, ist zudem klar, dass die autorisierten Prints in Ausstellungen und im Leihverkehr Verwendung finden. Dies ist aus konservatorischer Sicht oftmals der vorrangige Grund für eine konservatorisch-restauratorische Bearbeitung solcher Werke. Doch was ist mit den unzähligen Materialien eines Nachlasses, die vermutlich niemals in Ausstellungen zu sehen sein werden? Praktisch gesehen ist die Chance, dass diese jemals konservatorisch bearbeitet werden sehr gering, nicht zuletzt weil viele Häuser durch den fortlaufenden, umfangreichen Ausstellungsbetrieb keinerlei personelle Kapazitäten haben, solche im Verborgenen liegenden Materialien kunstwissenschaftlich wie auch konservatorisch zu bearbeiten. Ist ein Kunstmuseum demzufolge überhaupt der richtige Ort für derartig umfangreiche Nachlässe?
Häufig ist die Bearbeitung bzw. die Annahme eines solchen Nachlasses für Institutionen nur in Verbindung mit einem meist sehr aufwendigen Drittmittelprojekt zu bewältigen. Und selbst hier genügen die zur Verfügung stehenden Mittel nicht, um einen Nachlass vollumfänglich zu erschließen und zu bearbeiten. In der Folge kommt es zu Überlegungen, die autorisierten Kunstwerke von den archivalischen Materialien zu trennen und beide Nachlassbestandteile an jeweils unterschiedliche Institutionen, z.B. an ein Museum und ein Archiv, zu geben. Doch ist dieses ressourcenbedingte Separieren der Nachlässe tatsächlich das, was auf lange Sicht gewünscht und das Beste für die fotografischen Nachlässe ist?
Fassen wir zusammen: Im Umfeld eines Kunstmuseums ist heutzutage die konservatorisch-restauratorische Bearbeitung von Nachlässen künstlerischer Fotografie eine Herausforderung, die wie das „Kerngeschäft Ausstellungsbetrieb und Leihverkehr“, bestenfalls durch umfangreiche Drittmittel bewältigt werden kann. Befriedigend ist das nicht.
Kristina Blaschke-Walther
…ist Restauratorin für Fotografie am Sprengel Museum Hannover
BU: Die freiberuflich tätige Restauratorin Eva Wagner im Studiensaal des Sprengel Museum Hannover beim Bearbeiten des Fotonachlässes von Sascha Weidner im Rahmen eines durch die Ernst von Siemens Kunststiftung geförderten Drittmittelprojektes (Foto: K.Blaschke-Walther)