Mal fix ins Phoxxi! Eine sehenswerte Dreier-Ausstellung in Hamburg

Manche Phrasen des Alltags mag man nicht gern hören, vor allem weil sie meistens nicht viel mit der eigenen Realität zu tun haben. So eine Wendung stellt z.B. die auffordernde Rede dar, man möge doch bitte aus der Not eine Tugend machen. Das Haus der Photographie der Hamburger Deichtorhallen zeigt aber gerade, dass es so etwas tatsächlich doch gibt.

Seit August wird die südliche Halle des immer etwas überdimensioniert anmutenden Gesamtkomplexes Deichtorhallen Hamburg nämlich für drei Jahre lang saniert. Welch Drama, mag sich der Foto-Fan denken, denn das in seiner Vielfalt bisweilen wuselig anmutende Programm des aus modischen Enge seines verdienstvollen Gründers F.C. Gundlach längst entwachsene Haus der Photographie ist sicherlich eines nicht: langweilig. Genau einen solchen Zustand mußte man jedoch befürchten als die Mitteilung von der Renovierung bekannt gegeben wurde. Was nun? Sollte die Reise in den Norden also bis 2024 nur ins Museum für Kunst und Gewerbe führen, falls man sich nur für Fotografie interessiert? 

Das Team um Dirk Luckow und Ingo Taubhorn haben jedoch genau aus dieser Not eine Tugend gemacht und ein Containergebilde neben die Deichtorhallen gestellt, das den ebenso gängigen wie infantil klingenden Namen „Phoxxi“ erhalten hat. Auf einer Fläche von 50 x 12 m sind also nach wie vor Ausstellungen möglich. Hinzu kommt eine wirklich einladend dekorative Außengestaltung des Berliner Malers Anselm Reyle, die zum Betreten der Container regelrecht auffordert. Ist man einmal im Innenraum hat man den provisorischen Charakter des Hauses fast schon vergessen – besonders wenn man in die etwas rätselhaft benannte Ausstellung „Jack Davison, Omer Fast, Frida Orupabo“ (nur noch bis 23. Januar 2022) betritt. 

Was aber haben diese drei Positionen miteinander zu tun? Es geht, so belehrt eingangs der Wandtext, um den „Brückenschlag zwischen historischer Fotografie und der digitalen Gegenwart des 21. Jahrhunderts“, was leider auch nicht viel erklärt. Also zu den Dingen selbst. Und sogleich: wer ist eigentlich Jack Davison? Der erste Eindruck unterstreicht in der Tat das, was der Text (warnend) vorangestellt hat: Davison „verarbeitet eine Vielzahl von Genres, Stilen und Techniken, die vom Avantgarde-Experiment bis zum objektiven Dokumentarfilm, vom Porträt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts hin zur konzeptionellen Studie reichen. Seine Bilder wirken wie Déjà-vus aus der Geschichte der Fotografie und erinnern an Fotografien von Max Ernst oder Man Ray“. Das muss man mögen – oder sich ob des Historismus snobistisch abwenden. 

Sodann gelangt man in die Dunkelkammer, also die Black box des Ausstellungsraumes, in dem der 15-minütige Film „August“ von Omer Fast aus dem Jahre 2016 zu sehen ist. Eine atemberaubende Auseinandersetzung mit dem Heroen der Neuen Sachlichkeit im 3 D-Format. Mittlerweile wird deutlich, dass der eingangs zitierte Einleitungssatz der Ausstellungskonzeption doch Sinn macht und das setzt sich überzeugend fort, wenn man über die Treppe das Podium über der Black box betritt und die (leider nur wenigen) Werke der 1986 geborenen Norwegerin Frida Orupabo sieht, die schon 2019 auf der Biennale in Venedig zu überzeugen wußte. Eine erschöpfendere Darstellung widmet ihr übrigens ab 26. Februar das Fotomuseum Winterthur. Auf der Grundlage eines breiten digitalen Archivs fügt die Künstlerin mit nigerianischen Wurzeln mit Klammern Körper-Fragmente zu dreidimensionalen Collagen zusammen und wirft dabei inhaltlich Fragen zur kolonialen Geschichte auf, während medialen zugleich Digitales und Fotografie in einer originellen plastischen Form verschmolzen werden. 

Bäng, Chapeau: so eine tolle Ausstellung! Hamburg ist eine Reise wert. Nicht die Größe macht es, sondern die räumliche Konzentration befördert die thematischen Verdichtung. Und damit im besten Sinne des Wortes: Aus der Not eine Tugend gemacht!   

Stefan Gronert

…ist Kurator für Fotografie am Sprengel Museum Hannover

   

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