Kurierbegleitungen – Notwendiges Übel?

Werden sammlungseigene Fotografien oder Kunstwerke an ein anderes Haus ausgeliehen, ist dies immer mit einem gewissen Risiko für das zu leihende Werk verbunden. Das Risiko umfasst verschiedene Aspekte, welche es vor einer Ausleihe abzuwägen gilt.

Gerade während einer Reise oder eines auswärtigen Aufenthaltes spielt die Sicherheit des Werkes vor Diebstahl oder Vandalismus eine erhebliche Rolle. Zudem bedingt ein Transport mögliche Erschütterungen, ob per LKW und/oder Luftfracht, und mitunter Klimaschwankungen, welchen durch Spezialverpackungen oder klimatisierten Transportfahrzeugen begegnet wird. Darüber hinaus wird das Arthandling am Ausleihort durch Personal umgesetzt, welches nicht im Detail mit den ausgeliehenen Werken vertraut ist. Viele dieser Aspekte, wohlgemerkt hier aus der Restaurator*innen-Brille beschrieben, befinden sich oftmals außerhalb der Kontrolle des Leihgebers. Deswegen werden sie vor einer Ausleihe in einem Gremium aus Direktion, Kuratierenden, Registrars sowie Restaurator*innen berücksichtigt und gemeinsam im Detail abgewogen.

Eine Möglichkeit, das Risiko einer Ausleihe zumindest zu minimieren, besteht darin, eine Kurier*in mit dem Kunstwerk zu entsenden, die mit der sammlungseigenen Arbeit, deren Zustand und Installation sehr gut vertraut ist. Dies kann ab gewisser Versicherungswerte durch die Versicherungen selbst gefordert werden. Doch kann man dies in Zeiten, wo Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle spielt, überhaupt noch guten Gewissens fordern?

Fährt man als Kurierin direkt auf demselben LKW mit wie das Kunstwerk, wird wertvolle Arbeitszeit auf dem LKW verbracht und es muss während der Akklimatisierungszeit vor Ort gewartet werden. Deswegen wird immer häufiger zum Auspacken, zur Zustandsprüfung und zur Installation eines Kunstwerkes nachgereist, denn schließlich muss das Werk bei Ankunft zunächst bestenfalls 24 Stunden vor Ort in der Transportverpackung stehen, um das Raumklima langsam und vollends anzunehmen. Ist ein Hinterherreisen per Bahn möglich, scheint dies noch vertretbar, bei Luftfracht scheint es einmal mehr aus Nachhaltigkeitsgründen nicht sinnvoll. Deshalb haben sich nicht zuletzt während der COVID-Zeit online-Kurierbegleitungen per Videokonferenz etabliert. Jedoch ist ein erheblicher Nachteil, dass ein direktes Eingreifen vor Ort, im Falle eines nur ansatzweisen verkehrten Handlings des Werkes, nicht möglich ist. Hier kann schon ein Drehen einer Fotografie um 90° Grad oder ein fälschliches „auf das Gesicht legen“ erhebliche Folgen und immenses Schadenspotential haben, je nach Art der Montierung und Beschaffenheit des Werkes. Ohnehin ist eine Kurier*in bestenfalls voll umfänglich handlungsfähig und sollte auch vor Ort kleinere Restaurierungs- oder Festigungsmaßnahmen selbst durchführen können.

Im Idealfall kennt man die meist sehr gut qualifizierten Kolleg*innen andernorts, so dass in vielen Fällen bereits deswegen auf eine Kurier-Begleitung verzichtet werden kann, sofern es nicht explizit von der Versicherung zur Auflage gemacht wird oder es sich in der Installation um eine sehr komplexe Arbeit handelt. Vorzugsweise wird gerahmt ausgeliehen mit bruchsicherer oder entsprechend abgeklebter Verglasung, so dass das Werk bereits durch die Rahmung selbst sehr gut geschützt ist. Dennoch ist eine Kurier*in durchaus eine Arbeitserleichterung für den Leihnehmenden, trägt diese dann doch bei der Installation die Verantwortung für das Wohlergehen der oft hochkarätigen Werke.

Fakt ist, dass Kurierbegleitungen bereits deutlich zurückgegangen sind und ihre Notwendigkeit nicht zuletzt aus Gründen der Nachhaltigkeit immer stärker abgewogen wird. Eine Ausleihe, selbst bei noch so guten Bedingungen, birgt immer ein gewisses Risiko. Ist dieses für ein Werk nicht zumutbar, sollte bestenfalls ganz auf die Leihe verzichtet werden.

Kristina Blaschke-Walther

…ist Fotorestauratorin und Leitung Restaurierung am Sprengel Museum Hannover.

BU: Teilansicht der Wechselausstellungshalle des Sprengel Museum Hannover mit zahlreichen entliehenen Werken in Transportkisten, 2020 (Herling/Herling/Werner)