Konservieren für die Ewigkeit? Von Alterung und Ehrenkodex

Um es gleich vorweg zu nehmen: Nein, wir Restaurator*innen möchten nicht sämtliche Kunstwerke für immer im Depot verwahren, sie der Öffentlichkeit vorenthalten und sie derart für die Ewigkeit konservieren, auch wenn dies allein nach konservatorischen-restauratorischen Aspekten natürlich wünschenswert wäre.

Fotografien oder allgemeiner: künstlerische Arbeiten unterliegen Alterungsprozessen, sind sie doch bei Werkstoffen, wie Papieren, Kunststoffen, Bindemitteln und Farbstoffen, unvermeidbar. Es sind und bleiben meist organische und somit vergängliche Materialien, auch wenn es Aufgabe von Restaurator*innen ist, diese Vergänglichkeit möglichst aufzuhalten. Da dies jedoch unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten schlichtweg unmöglich ist, müssen wir uns mit einer Verlangsamung der Alterungsprozesse begnügen. Im Museum wird dies bei jedem Überwachen der klimatischen und beleuchtungstechnischen Bedingungen, bei jedem Limitieren der Ausstellungshäufigkeit deutlich: gelebte präventive Konservierung, deren einziger Zweck die Schadensvermeidung und Alterungsverlangsamung ist. Demnach ist Hauptaufgabe von Konservator*innen/Restaurator*innen vor allem dafür zu sorgen, dass Alterungsprozesse möglichst kontrolliert ablaufen, damit noch Generationen nach uns Freude an möglichst vielen Werken haben können. Auch im konservatorischen-restauratorischen Berufsbild ist diese Zielsetzung klar verankert: „Die grundlegende Rolle des Restaurators ist die Bewahrung des kulturellen Erbes zugunsten gegenwärtiger und künftiger Generationen.“

Aber sind Alterungserscheinungen an Werken nicht mehr? Machen diese nicht gerade die Patina einzelner Werke aus? Und gehören sie letztlich nicht zur Materialität und Geschichte der Werke dazu? Sind Silberspiegel oder verblasste Farbstoffe nicht auch ein Indiz für die Echtheit von Objekten und helfen zum Teil dabei, so manche Arbeit zeitlich einzuordnen? Im Ehrenkodex für Restaurator*innen, formuliert durch den europäischen Dachberufsverband E.C.C.O., ähnlich dem hippokratischen Eid der Mediziner, ist auch dies verbindlich festgeschrieben. So heißt es in Artikel 5 „Der Restaurator respektiert die ästhetische, historische und geistige Bedeutung, sowie die physische Integrität des ihnen anvertrauten kulturellen Erbes.“ Das bedeutet, dass neben anderem auch Alterungsprozesse Teil der Objektgeschichte sind und damit erhaltenswert, wenn gleich sie keinesfalls forciert werden sollten.

Weiter lautet Artikel 7 des Ehrenkodexes: „Unabhängig von Meinungen zum Marktwert des kulturellen Erbes ist es die Pflicht des Restaurators nach höchstmöglichen Standards zu arbeiten.“ Letztendlich sollte es für Restaurator*innen der Berufsethik nach egal sein, ob es um Werke von Ruff, Gursky und den Bechers geht oder um Werke minder bekannter Künstler*innen, ist doch auf lange Sicht gesehen nicht klar, welche Werke in ferner Zukunft am bedeutsamsten sein werden. Für alle Objekte gilt demnach der gleiche Erhaltungsauftrag, unabhängig von deren heutigem Wert.

Deswegen arbeiten Restaurator*innen fortwährend am übergeordneten Ziel, Werke gleichermaßen zu behandeln und somit für nachfolgende Generationen zu erhalten. Und deswegen sind wir auch nicht böse, wenn alle Werke die meiste Zeit ihres Lebens im gut klimatisierten, dunklen und schadstofffreien Depot verbringen dürfen.

Kristina Blaschke-Walther

…ist Restauratorin für Fotografie am Sprengel Museum Hannover

 

BU: Ricarda Roggan, Apokryphen (Martin Heidegger, Taschenuhr), 2014, 38 x 33 cm