Das Denken hören: Das Phänomen des Podcasts

Nachdem die Pandemie jüngst zur Endemie herabgestuft wurde, ihren Schrecken allerdings nicht wirklich verloren hat, lohnt es sich für den Sektor der Fotografie Bilanz zu ziehen: Unvorbereitet und schauerlich waren die Monate der „lockdowns“, die nicht nur die Erfahrung der „realen“ Bilder unmöglich machte, sondern auch Teile der Kommunikation darüber. Das aber galt vor allem für die leibhaftige Kommunikation vor Ort, also in Präsenz, nicht aber für die digitale Welt.

Während sich die Museen und Ausstellungshäuser während der lockdowns (zunächst meist in wenig überzeugender Manier) auf den Sektor digital erfahrbarer Ausstellungen sowie (in einigen Fällen durchaus mit innovativen Format) auf Vermittlungsangebote konzentrierten, gewann ein Parallelangebot größere Bedeutung, das im „realen Leben“ nicht wirklich neu war, aber im künstlerischen Kontext bis dahin weitgehend ignoriert wurde: der Podcast! Und nachdem die erwähnten digitalen Vermittlungsformen quantitativ mittlerweile stark reduziert worden sind – welche Institution würde die Legitimation ihrer realen, auf direkte Begegnung ausgerichtete Existenz schon gern selbst in Frage stellen? -, hat der Podcast als eine zusätzliche mediale Form überdauert.

Im konkreten Fall stellt sich nun die Frage, wer diese Form mit welchem Ziel betreibt? Klar ist, dass dies nur einige wenige, zumeist größere Häuser umsetzen konnten und können. Ein kurzer Blick auf einige beliebig ausgewählte Beispiele verrät schon einiges: So hat das Kölner Museum Ludwig nur fünf Folgen produziert und dann den Betrieb eingestellt. Ähnliches gilt für die große Düsseldorfer Kunstsammlung NRW, die auf neun Folgen kam. Zeitlich anders verhält es sich mit der Berlinischen Galerie, deren Podcast-Aktivität erst nach den „lockdowns“ richtig einsetzte. Hier sind es vergleichsweise kurze (ca. 30 min) Beiträge, von denen es aber aktuell immerhin schon 13 Folgen gibt. Durchaus schlechter sieht es, mit etwas realistischem Zynismus muss man wohl sagen: vielleicht auch nicht anders zu erwarten, im Blick auf die Homepage des Berliner Museumskolosses Nationalgalerie aus, wo man relativ wenig findet. Auf immerhin mehr als 30 Folgen stößt man mittlerweile bei dem deutschen digitalen Vorzeigemuseum, dem Frankfurter Städel. Und quantitativ auf gleichem Niveau bewegt sich auch das Essener Museum Folkwang, deren Produktion allerdings nach 2021 erkennbar ins Stocken geraten ist. Das ist bezeichnend. Und überhaupt spricht alles in allem nicht viel für eine wirklich nachhaltige neue Vermittlungsform der Museen – zu viel zusätzlicher Aufwand, so hört man allenthalben, ist dies und erfordert zusätzliche Mittel und neue Stellen im Bereich der Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit.

So weit zu den Museen. Erstaunlicherweise sind auch einige Kunst-Magazine im Podcast-Bereich tätig: Monopol mit seinem „Detektor“ ist quantitativ recht breit aufgestellt und existiert bereits seit 2018, ist also kein Corona-Produkt. Und auch die als Zeitschrift vielleicht eher weniger junge Weltkunst hat in Punkto Podcasts schon einiges auf die Beine gestellt. Bleibt allerdings die grundsätzliche Frage, warum die Printmedien das nicht-lesebereite Publikum überhaupt abholen? Handelt es sich hier nicht eher um eine etwas verzweifelte Form der Selbst-Kannibalisierung? 

Nun aber zu den eigentlichen Podcast, also jener Form, die keine Institution hinter sich hat und allein als sie selbst existiert. Im Kunst-Sektor sind diese Formen ganz zweifellos als situative Antwort auf die Pandemie entstanden und in der quantitativen Breite mittlerweile kaum mehr überschaubar, allerdings zumeist relativ kurzlebig. Um so erstaunlicher ist, dass sich auf dem Gebiet der Kunst und speziell auch der Fotografie bis heute (zumindest) drei Podcasts erhalten haben, die eben genau ohne den institutionellen Rückhalt von jeweils einer privaten Person betrieben werden (Das Lamento der im Folgenden Ungenannten nehme ich bedauernd in Kauf). Sie erscheinen regelmäßig, vergleichsweise oft und nehmen mit ihren Einzel-Interviews sicher auch manch gedrucktem Magazin die Butter vom Brot. Denn im Unterschied zu der musealen Selbstbeschau, dem Blick hinter die Kulissen, des erweiterten Marketings von Einzelausstellungen oder, im Falle der Magazine, der Diskussion allgemeiner Themen, öffnen diese Podcasts bestimmten Individuen eine Plattform – seien es Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Kurator*innen oder sonstige Akteur*innen der Szene. Der kurzlebige, bildverliebte Selbstexhibitionismus von Instagram erfährt hier im Gespräch seine ausgedehnte „Star“-Exposition. Bei Andy Warhol war das noch anders… 

Während sich die Auswahl der Interviewpartner*innen in nur wenigen Fällen überschneidet, sind diese drei Podcast in manchen Aspekten durchaus austauschbar: Ihre Dauer beträgt in der Regel etwa eine Stunde (oder länger). Und sie brillieren jeweils durch ihre locker-ungezwungene Gesprächsform, bieten dank der wenig kritisch eingestellten, in der Regel jedoch gut vorbereiteten Moderation zugleich auch inhaltliche Dimensionen, die über das Selbstmarketing hinausgehen. 

Jede*r weiß, von welchen drei Podcasts ich rede: Es geht (erstens) um „Fotografie Neu Denken“, eine schon mehr als 100 Folgen umfassende Reihe des Essener Fotografen Andy Scholz. Auch wenn der Titel des Podcasts vielleicht mehr verspricht als die jeweiligen Gäste halten können, ist die Betonung des Bildungs-Aspekts hier ein Markenzeichen. Das in den Schulen oft vernachlässigte Thema des Sehen-Lernens liegt Andy Scholz zumindest stets am Herzen.

Als zweite (was keine Rangfolge bedeutet) sei sodann Alexander Hagmanns Plattform „die Motive“ benannt. Ursprünglich war sie als Zeitschrift konzipiert, von der freilich nur eine Nummer erschien. Seit März 2020 verfolgt Alex Hagmann aber mit dem Podcast eine alternative Form, die sich mittlerweile verselbständigt – allein schon weil sie numerisch mittlerweile auf einen beachtlichen Umfang an Folgen zurückblicken kann.

Nicht zuletzt ist auch auf den wohl erfolgreichsten Podcast der deutschsprachigen Kunst-Szene hinzuweisen: Claudia Linzels „Die Leichtigkeit der Kunst“ konzentriert sich darin keineswegs auf Fotografie und überschreitet bisweilen sogar den engsten Zirkel der Kunst. Doch die populäre Breite, genannt „Leichtigkeit“, ist hier erklärtes Programm. Und dementsprechend hat die notorisch gut gelaunte Claudia Linzel in mehr als 130 Folgen mit durchaus namhaften Gesprächspartner*innen bislang schon mehr als 400.000 Hörende erreicht. 

Da kann selbst der vorliegende, seit 2017 existierende Blog – ein bereits konventionelles Medium – für ein per definitionem begrenztes Publikum, das keine Angst vor „Theorie“ hat, nicht ganz mithalten. Die Zeiten haben sich geändert. Was immer man im Einzelnen von den jeweiligen Podcasts halten mag: Sie haben die Landschaft der Kommunikation über Kunst und Fotografie erweitert. Wünschen wir uns deshalb, dass nicht nur die drei zuletzt Genannten weiter machen und die Suche nach alternativen Formen des Austauschs und der Vermittlung fortgesetzt wird! 

Stefan Gronert

ist Kurator für Fotografie am Sprengel Museum Hannover

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