„Best practices? – Fotografische Vor- und Nachlässe“ – Ein Nachbericht

Mit Spannung wurde das zweite Essener Symposium „Best practices? – Fotografische Vor- und Nachlässe“ erwartet, welches am 6. Februar im Museum Folkwang für ein breiteres Publikum stattfand und am 7. Februar 2025 auf dem Gelände der Zeche Zollverein in kleinerem Kreis. Anlass für das vom Fotozentrum Essen hervorragend organisierte Symposium war nicht zuletzt die Nachlassübernahme des Archivs Michael Schmidt durch das Museum Folkwang.

Nach einer kurzen Begrüßung von Peter Gorschlüter (Museum Folkwang) und einer anschließenden Einführung von Steffen Siegel (Folkwang Universität der Künste) berichtete Kathrin Schönegg (Münchner Stadtmuseum). Im ersten Vortrag über den Umgang des Hauses mit verschiedensten Nachlässen zeigte sie die Vielschichtigkeit der Bestände zur Kulturgeschichte der Fotografie im Stadtmuseum. Darauffolgend erörterte Thomas Seelig mit Petra Steinhardt (beide Museum Folkwang) und Matthias Pfaller (Centre Pompidou) am Beispiel des Nachlasses „Marie-Claude Deffarge & Gordian Troeller“, was konkret die Übernahme eines Archives beinhaltet. Bis zu einer Ausstellung, momentan im Museum Folkwang zu sehen, muss ein langer Weg zurückgelegt werden. Eine zentrale Rolle spielte dabei, dass der Nachlass vor der Übernahme bereits entsprechend vorsortiert wurde und damit wesentlich einfacher übernommen werden konnte.

Ricarda Roggan und Jörg Sasse als Fotokünstler*innen diskutierten mit Steffen Siegel und Stefanie Grebe (Ruhr Museum) auf dem Podium. Ricarda Roggan warf dabei die Frage auf, wer eigentlich in ferner Zukunft die Adressaten der Archive sind und für wen diese erhalten werden? Bei Jörg Sasse wurde deutlich, dass das Werk ohne entsprechend abdokumentierte Metadaten weder verstanden noch erhalten werden kann. Darüber hinaus sprachen Marco Klindt (Zuse-Institut Berlin) und Stefanie Grebe über die Digitalisierung und „digital data preservation“. Es wurde thematisiert, dass wir aus heutiger Perspektive nicht wissen können, ob wir eine „best practice“ umgesetzt haben oder vielleicht doch eher eine „good practice“. Christine Frisinghelli (Camera Austria Graz) stellte die Arbeit mit dem Archiv Pierre Bourdieu vor, welches vor allem Bilder aus Algerien umfasst und inzwischen ans Centre Pompidou abgegeben wurde. Am Ende des Tages gab es die Möglichkeit verschiedenste Objekte aus dem Bestand des Archivs Michael Schmidt anzusehen und einem Gespräch von Thomas Weski und Matthias Gründig (Museum Folkwang) zur Übergabe des Archivs zu folgen.

Am zweiten Symposiumstag wurden verschiedenste Themen in Panels gemeinsam mit dem Fachpublikum erörtert. In diesen wurde deutlich, dass für die Übernahme von Nachlässen nicht genügend Ressourcen und Mittel zur Verfügung stehen. Weder um zu Lebzeiten von Fotograf*innen den Vor-/Nachlass entsprechend sichten und vorsortieren zu können, noch seitens der Institutionen, um die Nachlässe entsprechend bearbeiten zu können. Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass weitere politische Lobby-Arbeit notwendig sei, um die Fotografie und deren Erhalt ins Sichtfeld der Politik zu rücken. Darüber hinaus wurde erneut offenbar, wie wichtig eine Vernetzung verschiedener Kolleg*innen und Institutionen ist, nicht zuletzt um einen Erfahrungsaustausch und eine Abstimmung zu ermöglichen, wer was sammelt, und sich gemeinsam mit vereinten Kräften für die Fotografie einzusetzen.

Das Symposium war eine hochrelevante und gelungene Veranstaltung, ein großer Dank dem Fotozentrum Essen an dieser Stelle für die Initiative und Organisation, welches verschiedenste Aspekte bei Übernahmen fotografischer Vor-/Nachlässe sehr gut beleuchtete. Um es abschließend mit den Worten der Fotokünstlerin Ricarda Roggan zu sagen: „Man muss wahnsinnig aufpassen, was man hinterlässt.“

Kristina Blaschke-Walther

…ist Fotorestauratorin und Leitung Restaurierung am Sprengel Museum Hannover.

BU: Präsentation zum Gespräch von Thomas Weski und Matthias Gründig zur Übergabe des Archivs Michael Schmidt am 6.2.2025 im Museum Folkwang. (Foto: Kristina Blaschke-Walther)

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