Du hast Dein Werk von Anfang an konsequent in Serien bzw. Werkgruppen strukturiert. Die meisten sind nach einer Weile abgeschlossen und Du gehst zu anderen, völlig neuen Serien über, andere laufen weiter. Nach welchen Kriterien beendest Du eine Werkgruppe: Lust, Systematik, Verkaufserfolg….?
Verkaufserfolg hat bei meinen Entscheidungen nie eine Rolle gespielt. Meine Serien entstehen aus einem Interesse an einem bestimmten Bildtypus oder Bildgenre, das mich reizt und das ich analysieren und verstehen möchte. Daher experimentiere ich zunächst mit dem Bildtypus, suche nach einer für mich gültigen Lösung und teste das Ergebnis dann mit den einzelnen Bildern innerhalb einer Serie. Die Serien funktionieren daher ähnlich einer wissenschaftlichen Versuchsanordnung, bei der ich die Gültigkeit der von mir aufgestellten These überprüfe. Und wie bei einer Versuchsanordnung gibt es dann viele oder wenige „Versuche“ oder „Werke“. Manchmal reizt es mich, nach einigen Jahren, die „Versuchsanordnung“ erneut aufzustellen – wie bei den Porträts -, manchmal lasse ich die Serien über einige Jahren laufen ohne ein endgültiges Ende festzulegen und manchmal weiß ich nach einiger Zeit, dass die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entstandenen Arbeiten für meine Überlegungen ausreichen. Aber natürlich ist es auch immer wieder so, dass mein Interesse an der Bearbeitung einer Serie „ausläuft“, wenn mir ein anderes, spannendes Thema begegnet.
Lange Jahre hast Du keine Kamera bei der Herstellung Deiner Bilder eingesetzt, zuletzt aber wieder. Ich hörte zwischendurch die kritisch ansetzende Frage: Ist das überhaupt noch Fotografie? Mich hat diese Frage eigentlich nie wirklich interessiert, weil ich in ihr ein orthodoxes Verständnis von Fotografie gesehen habe, dem ich nicht folge. Wie stehst Du zu solchen Fragen?
Diese Fragen interessieren mich eigentlich nicht, denn sie beschränken Fotografie auf die Kombination von Kamera und Abzug. Doch Fotografie kann in meinen Augen deutlich mehr sein und das ist einer der Faktoren, die ich mit meiner Arbeit untersuchen und verdeutlichen möchte. Ausgangspunkt meiner Arbeit ist immer wieder ein visueller Impuls oder eine visuelle Anregung der ich zufällig begegne – das kann ein Bild in einer Zeitung, einer Zeitschrift oder einer Publikation sein, aber auch Bilder im Fernsehen oder den sozialen Medien. Bei mir steht in erster Linie das richtige, gültige Bild, das mir vorschwebt. Und dafür suche ich die passende Technik und das passende Medium. Da ich jedoch eine große Affinität zu Wissenschaft und Technik habe und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher Fotografie / freie Kunst studiert habe, steht das technische Bild bei mir im Vordergrund – aber ich verstehe mich natürlich als Künstler und nicht als Fotograf.
Du hast extrem verschiedene Techniken zur Bild-Erzeugung eingesetzt. Hat es Dich nie interessiert das „stille“ Bild zugunsten des „bewegten“ Bildes zu verlassen?
Videoarbeiten und Filme sind für mich „Zeitdiebe“, daher hat es mich auch nie interessiert mit dem „bewegten“ Bild zu arbeiten. Ich möchte mit meinen Bildern eher die Zeit einfrieren, einen Moment schaffen, in dem man etwas mal in Ruhe betrachten kann.
Ich frage zum Schluss meistens nach Tipps und Neuentdeckungen. Momentan glaube ich aber eine andere Mikrodiskussion zu erkennen, zu der mich Deine Meinung viel mehr interessiert: was hältst Du von den Bildern von Refik Anadol?
Als die ersten Arbeiten von Refik Anadol aufgetaucht sind, war auch ich fasziniert. Es hieß damals, sie wären mit KI hergestellt worden. Das hat mich gewundert, da man sowas auch mit einer guten 3D-Software kreieren kann. Aber nach der zwanzigsten Variante habe ich das Interesse verloren, es sind die immer gleichen wabernden Bilder, die sich übergroß in einem „gefakten” Rahmen bewegen. Visuell überwältigend, aber vom Denkansatz nicht wirklich interessant, auch wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die Vorlagen aus den Sammlungen der bedeutendsten Kunstmuseen kommen.
Mit herzlichem Dank an…
Thomas Ruff
..ist Künstler in Düsseldorf