4 Fragen an…Viktoria Binschtok

Du arbeitest gerade an einer neuen Publikation, die wohl bald (wann genau?) erscheinen wird: Wie verhält sich für Dich das gedruckte Buch zur Präsenz Deines Werkes im Internet? Sind Bücher mittlerweile anachronistisch?

Mein Buch “Connection” soll im Februar 2022 zu meiner Ausstellung im Oldenburger Kunstverein erscheinen. Für mich geht die Publikation jedoch über die Funktion eines begleitenden Ausstellungskataloges hinaus. Es ist als unabhängiges Buch konzipiert, das idealerweise einen neuen Rezeptionsrahmen meiner Arbeit eröffnet.

Jedes Format, ob Buch, Netz oder Ausstellungsraum hat seine spezifischen Eigenschaften. Das Buch ist ein irreversibles, haptisches Ding, das mit dem Druck abgeschlossen wird, während wir Inhalte im Netz immer wieder bearbeiten können. Als linear gelesenes Objekt hat es einen Anfang und ein Ende. Die Herausforderung besteht u.a. in der Dramaturgie der Inhalte, durch die sich wiederum spannende Bezüge innerhalb des Werkes herstellen lassen. So beginne ich beispielsweise mein Buch mit einer frühen und kaum bekannten Serie “Three People On The Phone” (2004), die sich formal und fotografisch komplett von den Werkgruppen “Clusters” und “Networked Images” unterscheidet. Es gibt jedoch inhaltliche Verbindungen, die erst jetzt, retrospektiv erkennbar werden. Neben dem umfangreichen Bildteil wird es Texte geben, die sich natürlich im Buch besser lesen lassen als am Display wie ich finde. Der Vorteil von Büchern ist sicher auch, dass sie ohne technische Hilfsmittel lesbar sind. Das macht sie zu zeitlosen Begleitern über Generationen hinweg. Da das Büchermachen allerdings eine kosten- und ressourcenintensive Angelegenheit ist, sollte die Entscheidung für ein Druckerzeugnis gut überlegt sein.

Viele Themen und Aspekte Deines Ansatzes hast Du vor einem halben Jahr in einem sehr erhellenden Interview mit Maren Lübbke-Tidow erläutert. Mir stellt sich vor dem Hintergrund Deiner Entwicklung und den mittlerweile sehr bekannten „Globen”, Deiner Abschlussarbeit an der HGB Leipzig 2002, noch die Frage, ob Du Dir vorstellen kannst einmal wieder physische Objekte in Dein Werk zu integrieren? Oder sind Deine Bilder-Installationen für Dich schon selbst als konkrete Objekte zu begreifen, die sich nur vor Ort vermitteln (Stichwort: „Original“)? 

Wenn es ein schlüssiges Konzept erfordert, kann ich mir viele medienübergreifende Präsentationsformen vorstellen. Zunächst gehe ich aber von der Fotografie aus, die in diversen Körpern auftreten bzw. körperlos sein kann. Die “Globen” entstanden aus dem Bedürfnis heraus diese neue immaterielle Form des Digitalen zu begreifen, deshalb habe ich die Bilder und Objekte aus dem Netz in den physischen Raum übersetzt.

Auch die Arbeiten der letzten Jahre verstehe ich als physische Objekte, sie haben einen Körper im Gegensatz zu den Bilddaten, die ihnen als Idee zugrunde lagen. Durch die freistehende Präsentation dieser Bilder im Raum ergab jeder Standpunkt eine neue Gesamtansicht auf die unterschiedlichen Bildebenen (“Not Until Tomorrow” Klemm’s, Berlin, 2020). Zudem gab es keinen linearen Pfad, sondern zahlreiche Möglichkeiten sich durch die Ausstellung zu bewegen. Diese Anordnung hat konkrete Bezüge zur verzweigten Struktur im Netz, in der alle Informationen miteinander verlinkt werden können. Dadurch gibt es keine Hierarchisierung der Bilder in high und low bzw. mehr oder weniger relevant. Auch diesen Aspekt bilde ich in meinen Arbeiten ab, in denen ich Bilder aus unterschiedlichsten Kontexten miteinander kollidieren lasse. – Durch die Reisebeschränkungen im letzten Jahr wurde meine Ausstellung mehr im Netz als in der Galerie gesehen. Doch wie wir spätestens durch die Pandemie herausgefunden haben: einen Ausstellungsbesuch vor Ort kann man nicht ersetzen.

Vor der Bundestagswahl drehte sich in der öffentlichen Diskussion der Foto-Szene vieles um ein Bundesinstitut für Fotografie. Was würdest Du persönlich von einer solchen Institution erwarten? 

Mich hat diese Diskussion sehr lange gar nicht interessiert, vermutlich weil ich mich nicht repräsentiert sah in der Debatte, die vor allem um individuelle Interessen und Standortfragen kreiste. Für mich ist Fotografie ein schwerfassbares Phänomen, das sich zuletzt durch Smartphones in alle möglichen Lebensbereiche ausgeweitet hat. Durch dieses Medium haben wir uns von passiven KonsumentInnen von Bildern zu aktiven ProduzentInnen entwickelt. Fotografie ist Teil unserer globalen, nonverbalen Kommunikation. Deshalb wünsche ich mir ein Institut für Fotografie, welches das Medium neben den künstlerischen, wissenschaftlichen und dokumentarischen Erscheinungsformen vor allem als Bildphänomen unserer vernetzten Welt disziplinübergreifend erforscht. Dazu gehört die Betrachtung diverser, digitaler Bildwelten ebenso wie die kritische Auseinandersetzung mit der monopolistischen Infrastruktur des Netzes. Denn was wir auf unseren Displays zu sehen bekommen entscheiden letztlich nur wenige Konzerne durch ihre Algorithmen. Wie mächtig Facebook und Co. sind, konnten wir erst kürzlich durch den Blackout erahnen, der den globalen Bilderfluss plötzlich für einige Stunden zum Stillstand brachte. Es wird Zeit sich intensiv mit diesen Effekten zu befassen, gerne auch im zukünftigen ‚Bundesinstitut für Fotografie’. Ich würde es eher ‚Globales Institut für Fotografie’ nennen, das klingt irgendwie richtiger für ein grenzüberschreitendes Medium.

Zuletzt die Frage nach einer „Neuentdeckung”: Welche fotografische Position hat Dich selbst zuletzt fasziniert?

Mir fällt spontan die aktuelle und sehr sehenswerte Ausstellung von Peter Miller im C/O Berlin ein, die von Kathrin Schönegg kuratiert wurde. Zugegebenermaßen kannte ich die meisten seiner präsentierten Werke nicht. In seinen fotografischen, filmischen, installativen oder auch performativen Arbeiten überrascht er mit vielseitigen Aspekten der analogen Fotografie.

Auch Katarina Dubovskas Werk, die sich ebenfalls mit der medialen Verfassung der Fotografie befasst, finde ich sehr spannend. Ihre hybriden Arbeiten sind mir vor vielen Jahren bei einem Besuch an der HGB Leipzig in der Klasse Peggy Buth aufgefallen. Inzwischen hat sie zahlreiche Ausstellungen bespielt und auch einen umfangreichen Katalog zu ihrem Werk veröffentlicht.

 

Mit bestem Dank an…

Viktoria Binschtok

…ist Künstlerin in Berlin

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

+ 51 = 52