Mal ehrlich: Wer kennt sich eigentlich heute noch mit US-amerikanischer Fotografie aus? Oder gar mit kanadischen Positionen nach Jeff Wall? Durch den Boom der europäischen Kunst und der zunehmenden Skepsis gegenüber dem anderen Kontinent ist da manches aus dem Fokus geraten. Darauf reagiert nun eine große Überblicks-Ausstellung im Sprengel Museum Hannover – und im Kunstmuseum Wolfsburg sowie dem Photomuseum in Braunschweig.
Während man Braunschweig eine Gruppenausstellung zum Thema der Entwicklung vom Dokument zum Konzept zu sehen ist, widmet Wolfsburg monographisch erstmals auf dem Werk von LaToya Ruby Frazier, die in Europa bislang noch keine museale Einzelausstellung hatte. Neue, hierzulande z.T. noch nie gesehene Positionen zeigt auch das Sprengel Museum Hannover in einem großen Überblick – von Cindy Sherman bis Xaviera Simmons. Unter dem gemeinsamen Titel TRUE PICTURES ist ein Netzwerk entstanden, an dem neben den drei Museen auch Studierende der Folkwang Universität der Künste in Essen und der Universität Hildesheim mitgewirkt haben.
Die Hannoveraner Ausstellung TRUE PICTURES? widmet sich der zuletzt wenig beachteten kanadischen und US-amerikanischen Fotografie und präsentiert Arbeiten von 36 Künstler*innen aus drei Generationen, die nicht nur ihre Herkunft und das Medium Fotografie verbinden. Für alle drei Generationen gilt, dass sie im digitalen Zeitalter zu verorten sind. Darunter ist nicht nur der Einzug der Digitalfotografie in das zuvor analog geprägte Medium zu verstehen. Vielmehr ist es eine Herausforderung für alle Künstler*innen, sich mit der Digitalisierung und den mit ihr einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen zu beschäftigen – sei es in Auseinandersetzung mit der oft zitierten „Bilderflut“, den technischen Möglichkeiten des Mediums oder in bewusster Abgrenzung zu Phänomenen des „digitalen Zeitalters“.
Alle drei Generationen sind zudem in Zeiten gesamtgesellschaftlicher sowie politischer Umbrüche und Herausforderungen zu verorten: von der 68er-Beweung, den Auswirkungen des Vietnam-Kriegs oder der Aids-Krise und systematischem Rassismus hin zur Auseinandersetzung mit feministischer Theorie, Identitätsfragen und Infragestellungen von Auffassungen von Sexualität und Gender. Themen, die oftmals bis heute nicht an Dringlichkeit verloren haben. Neben narrativen oder politisch aufgeladenen Positionen finden sich in den Arbeiten der jüngeren Künstler*innen subjektive sowie transmediale Ansätze, welche Ausdruck unserer visuellen Kultur des 21. Jahrhunderts sind.
Ab 6.11. bis zum 13.2. 2022 und anschließend im Museum der Moderne, Salzburg zu sehen
BU: Vikky Alexander, Model Suite: Overview, 2005