Da Du stets mit Deinen Bildern im Raum arbeitest, erlaube die Frage: Bist Du eigentlich eine Fotografin oder eine Installationskünstlerin?
Das ist gleich zu Anfang schon mal genau „die“ Frage :-)! Ich würde sagen: ich mache große begehbare Rauminstallationen und dreidimensionale Skulpturen – aus fotografischen Bildern aus einer Auseinandersetzung mit den Bedingungen des Mediums heraus. Mir geht es immer auch um das Bild: um das Nachdenken über die Flächigkeit der Abbildung, auch um Wahrnehmung, Farbe und Perspektive und um die Komposition von Bildern – im Raum.
Daneben setze ich mich immer wieder mit dem Medium Fotografie „als solches“ auseinander: Was ist eine Kamera, wie funktioniert der Prozess des Belichtens oder das „Mischen“ der Farben und ich mache sozusagen die „Technik“, mit der ich arbeite zum Thema oder zur Fragestellung. Es gibt eine Reihe von analogen Fotoarbeiten über die Bedingungen des Fotolabors, wie Zeit und Lichtfarbe oder Doppelbelichtungen – „Fotografin“ bin ich aber dennoch nicht 😉
Ich fertige und konstruiere die Bilder und Motive meist in vielen Schritten im Atelier. Eine „einfache“ Dokumentation der Welt interessiert mich nicht, sondern es geht mir darum, meine Vorstellung und meine Gedanken zu Raum und Zeit in eine Form zu bringen, und es muss immer mehrmals um die Ecke gedacht sein. Meine Motivwelten komponiere ich u.a., indem ich mit selbstgefertigten architektonischen Modellen arbeite, in denen ich analoge Bilder von mir in verschiedenen Konstellationen neu zusammensetze und wiederum abfotografiere. Die so entstandenen Motive werden dann wiederum physisch geschichtet, auf verschiedene zum Teil transparente Träger gedruckt – und dann sehr präzise als große farbige Kompositionen präsentiert.
Man könnte sagen: ich setze mich mit Bildern als Kompositionen im Raum auseinander. Mit Malerei und Skulptur und Räumlichkeit- also mit Farbe und dreidimensionaler Form – und übertrage von da Fragestellungen auf das Arbeiten mit dem fotografischen Bild. Die Ergebnisse sind in der Zeit begehbare Bilder, die sehr genau ausgearbeitet sind. Räumliche Fotografien oder dreidimensional geformte, aufgefächerte, fotografisch erzeugte „Bilder“ – im Grunde keine „Installationen“ sondern „Kompositionen“ – die als Installationen montiert sind…
Die Debatte über Kunst, und speziell über Fotografie, erscheint ja aktuell wegen des vermeintlich neuen tools namens „KI“ ganz verunsichert. Nun bist Du eine radikal analog arbeitende Künstlerin, so dass Dich das Thema in Deinem Schaffen vielleicht sogar kalt lässt. Aber was denkst Du darüber?
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen einfach, aber ich denke: „lass sie doch machen, mal sehen was kommt…“. Meine Welt ist eine ganz andere als die der KI. Ich bin sehr handwerklich, analog und in meinem eigenen Kopf unterwegs mit meinen vielen ein bisschen philosophischen Fragestellungen zu Raum, zu Zeit, zu Abbildung, zu Erinnerung und Wahrnehmung. Und ich bin beschäftigt mit der Auseinandersetzung mit einer Fotografie, die meine eigene Wahrnehmung und meine eigenen Entwürfe von z.B. Raum und Zeit wiedergibt. In jedem Schritt meiner Arbeit überlege ich, wie ich meine Vorstellungen umsetze, damit sie innerhalb der jeweiligen Arbeit funktionieren und sich schlüssig darstellen.
Ich denke, dass es bei Kunst darum geht, dass ich mit überlege, was ich zu sagen habe, was ich wie sehe, und wie denke – und wie ich diese Vorstellungen in eine eigene neue Form übersetze. Mein eigenes „visionäres“ Denken und ist dabei das Zentrale, die Umsetzungen, auf die ich kommen. Warum sollte ich also in meinem Prozess von KI Gebrauch machen? Ich gewinne große Energie aus meinem eigenen Prozessen und meiner eigenen Arbeit – was alles aus mir, meinen Überlegungen und meinem -physischen- und experimentellen Arbeiten entsteht.
Du bist eine Pendlerin zwischen Berlin und Frankfurt, unterrichtest auch an der HfG in Offenbach. Was hat sich als Lehrende für Dich in den letzten Jahren seitens der Studierenden verändert? Oder alles noch so wie früher als Du selbst am der HdK in Berlin und am Städel in Frankfurt studiert hast?
Hmmm…nicht so leicht zu sagen. Weil es ja immer diesen Faktor von „früher“ und „damals war alles anders“ gibt, der vielleicht nicht so ganz objektiv ist. Aber was ich denke ist, dass man als Studentin oder Student früher viel mehr auf sich gestellt war. Da hat sich an den Hochschulen oft niemand um einen gekümmert und man musste ich so selber Dinge erarbeiten. Und oftmals allein überlegen, wie man die eigenen Projekte angeht und umsetzt. Man wurde nicht so an die Hand genommen – und es wäre auch verpönt gewesen, sich von Lehrenden (oder Eltern) „an die Hand nehmen“ zu lassen. Das ist wahrscheinlich gut für die Kreativität: nicht an die Hand genommen zu werden, Freiräume zu haben. Ich sehe, dass die Studierenden heute ganz anders aufwachsen: sie müssen nicht gegen ihre Eltern kämpfen. Das freundliche, teilnehmende Behütet-Werden gibt ein sicheres Grundgefühl, es legt aber vielleicht auch etwas Neugier und Abenteuerlust lahm.
Als ich studiert habe, konnte einfach „abtauchen“, irgendwo hinfahren, irgendwas für sich allein machen – und da es keine Handys und kein Internet gab, war es normaler, sich in seine eigene Welt zurückzuziehen und über längere Zeiträume seine eigenen Sachen zu machen, seinen Interessen nachzugehen. Ich nehme es so wahr, dass die Studierenden heute sehr gut kommunizieren können und auch sehr gut im Miteinander in Gruppen Dinge aushandeln können. Das ist positiv.
Gibt es ein Buch zum Thema der Fotografie, das Dich in den letzten Jahren echt umgehauen hat und wenn ja: welches?
Wir haben alle Susan Sontag gelesen, Flusser oder Roland Barthes etc. Theorien zur Fotografie, aber im Moment habe ich mehr Lust, mir Werke und Kataloge von Künstlern anzuschauen und – analoge – künstlerische und konzeptionelle Positionen wieder zu entdecken. Gerade bin ich da zum Beispiel beim tollen alten Gordon Matta-Clark.
Die Zeit jetzt hat die vielen neue Fragestellungen – vom Urheber der Bilder (der Mensch oder die KI?), zu den sozialen Netzwerken, zu NFTs. Was ist „die Fotografie“ dabei? Die wird sich ja einen ganz neuen Platz finden, wie die Malerei nach der Kirchenmalerei. Ich mache mir Gedanken – und bin gespannt, wann wir soweit sind, alles zu überblicken. Vielleicht auch in einem Buch zum Thema Fotografie. Oder zum Thema Kunst.
Mit bestem Dank an…
Susa Templin
….ist (Foto-) Künstlerin in Berlin und Frankfurt
BU: Porträt Susa Templin beim Aufbau der Ausstellung zum 40jährigen Jubiläum des Museums für Photographie Braunschweig