4 Fragen an…Kathrin Sonntag

Du bist – was ich nicht auf Dein Studium bei Lothar Baumgarten zurückführen möchte – alles andere als eine konventionelle Fotografin, denn Du zelebrierst weder das einzelne Meisterwerk noch arbeitest Du in klassischen Serien. Das Arrangieren und Installieren ist vielmehr das Kennzeichen Deiner Präsentationen. Siehst Du Dich selbst als eine installativ arbeitende Fotografin oder als eine Installationskünstlerin mit Fotografie?
Da bleibe ich, mit Verlaub, lieber zwischen den Stühlen sitzen. Ein Grund, warum ich bei Lothar Baumgarten studiert habe, war, dass in der Klasse medienübergreifend gearbeitet wurde und solche Festschreibungen dort keine Rolle gespielt haben. Die Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie ist ein zentraler Bestandteil meiner Praxis, aber ich betreibe diese Auseinandersetzung eben nicht ausschließlich mit fotografischen Mitteln. Was mich am Wesen und der Wechselwirkung fotografischer Bilder fasziniert, ist ihr erfreulich ambivalentes Verhältnis zur Wirklichkeit. Fotografien gelten als objektive Darstellungen. Gleichzeitig ist klar, dass Fotografien die Realität verzerren – und das allein schon durch die Entscheidung, was Teil des Bildes wird und was nicht. Diese Ambivalenz macht sie in meinen Augen zum idealen Medium, um über den Prozess der Wahrnehmung nachzudenken – ein Vorgang, der ja ebenfalls von Selektion und Subjektivität geprägt ist. Das installative Arbeiten erweitert diese Untersuchung und erlaubt mir Fotografien in einen Dialog mit realen Räumen, Objekten und anderen Bildern zu setzten und so unterschiedliche Wahrnehmungsebenen miteinander zu verschränken.

In den aktuellen Foto-Debatten ist man (immer noch) mit Fragen der Digitalisierung, KI und dgl. konfrontiert. Beschränkst Du Dich aus Prinzip auf analoge Mittel oder wie würdest Du Deine Haltung zu diesem Themenfeld beschreiben?
Da bin ich undogmatisch. Ich arbeite sowohl analog als auch digital, je nachdem, was im Rahmen des Projekts mehr Sinn ergibt. Mit KI-gestützter Bilderzeugung habe ich wenig Erfahrungen. Das Generieren eines Bildes durch Text, also durch das Formulieren einer Vorstellung, ist ein anderer Vorgang, als durch einen Sucher zu blicken. Es war für mich immer leichter, Dinge in der Welt zu finden und auf sie zu reagieren, als sie mir auszudenken. Aber die Möglichkeiten, die das Arbeiten mit KI bietet, sind für mich vielleicht interessanter, als mir im Moment bewusst ist. Ich würde also nicht per se ausschließen damit zu arbeiten. Die Frage, wie künstliche Intelligenz die Wahrnehmung fotografischer Bilder verschiebt, wird uns mit Sicherheit weiter beschäftigen – und das weit über den Kontext Kunst hinaus.

Vor dem Hintergrund Deiner diversen Lehrerfahrungen: wie siehst Du die Veränderungen in der Arbeit mit den Studierenden heute im Vergleich zu Deiner Zeit?
Klar sind die Voraussetzungen für die Studierenden heute andere als vor 25 Jahren, als ich studiert habe. Durch die sozialen Medien strebt alles schneller in die Öffentlichkeit. Das erzeugt Druck. Andere Dinge sind aber auch gleich geblieben. Es geht immer noch darum herauszufinden was einen umtreibt, wie man arbeitet, was man zeigen will und wie man dafür eine Form findet.

Es wird Dir nicht anders gehen als mir: Bei Ausstellungen sieht man immer mal (wenn auch selten) etwas Neues, was einen umhaut. Kannst Du uns sagen, was Dich zuletzt echt umgehauen hat?
Da fallen mir gleich mehrere umwerfende Ausstellungen aus der letzten Zeit ein. Özlem Altins Ausstellung “Prisma” in der Berlinischen Galerie hat mich sehr bewegt. Die Art und Weise wie dort Fotografie, Malerei und Objekte im Raum miteinander in Kontakt getreten sind, hat lange bei mir nachgewirkt. Die Ausstellung “Edge out” von Mariechen Danz, auch in der Berlinischen Galerie, hat mich ebenfalls sehr beeindruckt. Die präzisen Setzungen, mit denen sie sich den (sehr schwierigen) Raum zu eigen gemacht hat, fand ich atemberaubend. Auf die smarte Idee, Objekte mit zusätzlich gemalten Schatten zu versehen, wäre ich selbst gerne gekommen. Sarah Schönfelds Ausstellung “LaborLab” im Projektraum der Schering Stiftung, die Kontrollmechanismen weiblicher Reproduktion thematisiert, war ein weiteres Highlight für mich. Eingebettet in ein sehr stringentes Raumkonzept zeigt sie dort eine großartige Serie von Fotografien, die sie mithilfe eines experimentellen, kameralosen Verfahrens hergestellt hat. Last, but not least kann ich sehr den fantastischen Spielort “BAUBAU” von Kerstin Brätsch im Martin Gropius Bau für einen Besuch mit dem Nachwuchs empfehlen.

Mit herzlichem Dank an…

Kathrin Sonntag

…ist Künstlerin in Berlin

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