Wenn es darum geht eine große Ausstellungshalle, wie die Wechselausstellung des Sprengel Museums, mit Fotografie aus dem eigenen Bestand zu füllen, laufen im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen im Hintergrund zahlreiche Arbeiten ab. Aber was passiert eigentlich hinter den Kulissen beim Neuzugang eines kompletten Bestandes? Was widerfährt den Werken, erst einmal im Museum angekommen, bis sie letztendlich wirklich in einer Ausstellung zu bewundern sind?
Im Falle des Nachlasses Umbo fanden im Jahr 2016 etwa 1400 Fotografien und acht Umzugskartons mit Archivmaterial Eingang in die Sammlung des Sprengel Museums. Aus konservatorisch-restauratorischer Sicht begannen die Arbeiten bereits ca. eineinhalb Jahre vor der eigentlichen Eröffnung der Ausstellung. Alle Werke wurden zunächst inventarisiert, um sie entsprechend wieder auffindbar lagern zu können, wobei das Inventarisieren an sich eine kuratorische Tätigkeit ist. Schon aber bei diesem Vorgang durchlaufen die Werke das erste Mal die Werkstatt der Foto- und Papierrestaurierung, um beispielsweise vorhandene fotografische Techniken zu identifizieren, verschmutzte Werke zu reinigen und diese entsprechend konservatorisch fachgerecht umzulagern. Auch wird hier gleich offenbar, welche Werke einer weiteren konservatorisch-restauratorischen Behandlung bedürfen, kommt dieses Vorgehen doch einer Zustandsanalyse des Bestandes gleich. Dabei werden Schäden vor allem priorisiert: Selbstklebebänder beispielsweise werden umgehend entfernt, da sie in ihrem Schaden fortschreiten, d.h. mit der Alterung meist vergilben und verspröden und in naher Zukunft bereits wesentlich schwieriger zu entfernen sind als noch im „frisch“ aufgebrachten Zustand. Wohingegen ein Riss z.B. sich bei fachgerechtem Umgang mit dem Werk kaum vergrößern wird, so dass dieser auch später noch geschlossen werden kann.
Nach diesem ersten Vorgehen werden die Werke vom Team der hauseigenen Fotografen*innen abgelichtet, um nicht zuletzt den Zustand der Werke zu dokumentieren, wie man auch an dem Vorzustandsfoto der Rückseite von „Grocks Violine“ erkennen kann (siehe oben). Hier sind deutliche Deformationen der Fotografie durch die ursprünglich braunen, säurehaltigen Montageklebebänder sichtbar. Ohne Zweifel bedurfte dieses Werk im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen einer weiteren restauratorischen Behandlung. Steht einmal die Werkauswahl für die bevorstehende Ausstellung fest – im Falle der Umbo-Retrospektive sind es etwa 120 Werke aus dem eigenen Bestand -, können diese zum Teil je nach Schadensbild sehr zeitaufwendigen Arbeiten ausgeführt werden. Nicht alle Werke können restauriert werden, sondern es muss erneut priorisiert werden, was in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich und sinnvoll ist.
Alle in der Ausstellung präsentierten Werke wurden auf ihren Zustand hin genau untersucht und dieser in einem Zustandsprotokoll festgehalten. Dieses dokumentiert die Veränderungen eines Werkes im Laufe der Zeit und hat nicht nur versicherungstechnisch Relevanz. Darüber hinaus werden im Falle von Umbo fast alle Werke passepartouriert gezeigt, so dass die Fotografien je nach Werkbeschaffenheit mit verschiedensten Mitteln montiert werden. Hier können zum Beispiel nassklebende, säurefreie Fotoecken und Japanpapierstreifen zum Einsatz kommen, immer in der Bemühung möglichst wenig sichtbar zu sein, alterungsbeständig und nicht direkt am Werk selbst zu kleben, denn Verklebungen auf Silbergelatinebarytpapieren führen leicht zu Deformationen.
Das Resultat dieses „Großprojektes“ ist noch bis 12. Mai 2019 in der Wechselausstellungshalle des Sprengel Museum Hannover zu sehen. Unterstützt wird die Ausstellung zudem durch 59 Leihgaben der Berlinischen Galerie und 30 Leihgaben der Stiftung Bauhaus Dessau.
Anne Prothmann Kristina Blaschke-Walther
…ist Restauratorin in Ausbildung …ist Restauratorin für Fotografie am Sprengel Museum Hannover
Genau dies ist die Herausforderung, denen sich Restaurator*innen zukünftig stellen müssen. Inzwischen gibt es bereits eine eigene Fachrichtung zur Konservierung und Restaurierung neuer Medien, die versucht eine Langzeitaufbewahrung der Daten sicherzustellen.
Sehr interessante und tolle Arbeit, habe die Ausstellung zwar noch nicht gesehen werde ich aber bald anschauen. Ich frage mich nur wie wird es in Zukunft sein – bekommt dann ein Museum als Nachlass nur noch eine kleine Kiste mit 10 Festplatten? Und gibt es so etwas wie eine “digitale konservatorisch Restauration”? Und wie würde man am sichersten die digitalen Daten lagern / konservieren um sie so lange wie möglich erhalten zu können. Entsteht nicht auch über die Zeit ein digitaler Datenverlust?
Schönes Thema, da sich auch hier sehr plastisch die Frage nach dem eigentlichen Werk des Künstlers abzeichnet. Sobald wir von digital hergestellten Fotografien sprechen ist der “Entwicklungsprozess” zum Bild häufig ein anderer. Was nützt allein das Archivieren der Daten, wenn nicht bekannt ist, mit welchem Druck-Farbprofil die Datei zum Drucker geschickt wurde. Auch Unterscheiden sich die Farbräume RGB und CMYK z.T. enorm. Hinzu kommt das verwendete Druckmedium und das Druckgerät selbst. Es gibt u. A. digitale Belichtung, Tintenstrahldruck mit Tinte, Toner oder Wachs auf unterschiedlichste Foto/Druckpapiere und auch die Frage nach der gewählten Druckauflösung (Pixel) nimmt unter Umständen Einfluss auf das eigentliche Werk. Und die Mehrheit der Künstler wird wohl auch eher das Endprodukt, sprich den Abzug/Print als eigentliches Kunstwerk verstehen. Da ja meist bewußt dieses oder jenes Medium (Abzug/Dia/Print …) in den kreativen Prozess mit einbezogen wird.
Deshalb genügen die Daten/Festplatte alleine nicht. Eine “digitale konservatorisch Restauration/Archivierung” bedarf auch dieser Hintergrundinformationen und den bestenfalls Zugriff auf entsprechende Technologien. Das Problem der “Lagerung” ist da eher sekundär. (https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article152409953/Glasscherbe-speichert-360-Terabyte-fuer-die-Ewigkeit.html)
Ja, absolut ohne eine exakte Beschreibung des Künstlers oder der Künstlerin, wie die Daten zu produzieren seien, wäre es schwierig. Andererseits darf man nicht vergessen, dass auch ein Fall Vivian Maier 2.0 möglich wäre, bei dem nicht unentwickelte Fotorollen auftauchen, sondern eben Festplatten. Hier gebe es keine Ausdrucke, keine Beschreibung, dennoch würde die Welt vielleicht diese Arbeiten sehen wollen. So müsste eventuell der Eigentümer über die Produktion entscheiden? Der digitale Code und die Ansicht dessen sind ja heute sehr “schwimmend”. Denn das Ausgabegerät, das Medium bestimmt die Größe, Farbgebung usw.
Also der Code wird immer unterschiedlich dargestellt, auf dem Handy, am PC, als Druck der wiederum von einer Maschine beeinflusst wird. Eine Verdopplung von Flusser` s Annahme tritt ein. Früher und Heute umso mehr, ist eine Fotografie das Ergebnis von Mensch und Apparat. Aber dieser Apparat ist wiederum das Ergebnis anderer menschlichen “Geister, Wissenschaftler”, die ihn erschufen. Das digitale Foto braucht nun aber noch eine weitere Maschine, die das fertige Foto darstellt und ausdruckt. So nimmt der Einfluss des Fotografen noch weiter ab. Aber wenn wir gedanklich nun die Gattung wechseln und an die Musik denken, ist das Medium, das sie uns vorspielen nicht auch sekundär? Primär ist doch die Emotion, Erkenntnis, die sie in uns auslöst. Trifft dies nicht auch auf Fotografien zu, egal wie und wo wir sie entdecken?