Thomas Steinfeld schrieb vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung über den Blitz als „bevorzugte[m] Motiv der populären Kultur” (Süddeutsche, 5. November 2018) in einem bitteren Ton. Zwischen Symbol der Aufmerksamkeit bei den Paparazzi, als Ritterschlag aus Licht, und Werkzeug niederschmetternder Gleichgültigkeit im Einsatz bei Touristen, die mit dem Blitz alles ernüchtern, was je eine Magie zu haben vermochte, bewegt sich seine Bestandsaufnahme. Der Ästhetik der Blitzlichtfotografie sollte man jedoch mehr zutrauen.
Der Blitz ist in erster Linie Werkzeug eines Handwerks in einem Universum voller verschiedener Einsatzmöglichkeiten. Diese einfache Technik, Licht ins Dunkle zu bringen, erzeugt darüber hinaus eine Artifizialität, die allein dem Medium der Fotografie gehört. Der Blitz hellt unwetterartig und ungemütlich auf, und bringt teilweise Stellen zum Vorschein, die ohne Kamera gar nicht sichtbar geworden wären. Eben durch jene teilweise bizarren Details holt er den Betrachter auf den Boden der Tatsachen zurück. Gleichzeitig erzeugt der Blitz eine Art Bühnenhaftigkeit, er kaschiert Untiefen, zieht glatt und spiegelt. Durch die künstliche Beleuchtung wird das Bild zum Schaukasten, rückt das vor der Linse auf ein Lichtpodest. Gerade die Nutzung von Blitzlicht in einer komplett dunklen Umgebung rückt das Fotografierte vom Rest ab, gibt ihm etwas Strahlendes und schneidet es geradezu aus.
Entmystifiziert der Blitz nun oder erzeugt er eine Art Hyperrealität? – Der Blitz ist im wahrsten Sinne schwer zu fassen. So einfach die technische Grundlage der Blitzlichtfotografie ist, so komplex ist seine Ästhetik. Auch in der Bandbreite seiner Einsatzgebiete zeigt sich diese Diskrepanz: Von der Tatortfotografie, in der sich der Blitz in Grotesken spiegelt, bis hin zur Fotografie der Hochglanzmagazine und ihrer durchkomponierten Kunstlicht-Straffung, wird das vor der Linse nicht romantisch im Dimmlicht vernebelt; es werden vielmehr die Kanten hart nachgezeichnet, unnachgiebig. Der Blitz ist konkret, er ist unmittelbar. Genau dies ist mal heilsbringend, mal quälend.
Ob er nun betont oder verschleiert, seine Ästhetik ist anders und erschafft sich selbst. Der Blitz gibt Licht in das Bild hinein, wo die Fotografie sonst nur das abbildet und nachzeichnet, was sie vorfindet. Durch das Blitzlicht wird das Bild wissentlich auf einer halbsphärischen Ebene beeinflusst. Der Blitz macht aus dem Foto ein anderes Bild, ein Werk, welches sich von der Banalität des Realen abhebt: Die Farben wirken satter, die Kontraste stärker, die Linien härter. Das gerade eben selbst erzeugte Licht wird zum eigentlichen Gegenstand des fotografischen Bildes.
Die Blitzlichtfotografie kann also mehr sein als Paparazzi-Werkzeug oder Touri-Attribut. Es lohnt sich, sich einmal tiefergehend mit ihrer Ästhetik zu beschäftigen!
Julia Catherine Berger
…ist Kunstwissenschaftlerin in Hannover
BU: Martin Parr, Bored couples – Ferry between Helsinki and Stockholm, Finland, 1991
Hallo Herr Paulsen,
ich denke, dass der Blitz nur dann ein gewaltsamer Akt ist, wenn er das Objekt/den Menschen unvorbereitet trifft. Wenn z.B. bei einem Porträt-Shooting der Mensch auf das Blitzen vorbereitet wird, ist es ein harmloser Akt.
Gruß
Harald Illmann
Zeus ist der oberste olympische Gott der griechischen Mythologie und mächtiger als alle anderen griechischen Götter zusammen. Er schleudere Blitze meist aus Zorn. Auch wir sind ab und zu bei überraschenden Situationen “wie von Blitz getroffen”. So oftmals auch beim Fotografieren. Ob man als Objekt “abgeblitzt wird” oder den Blitz auslöst, es bleibt im Prinzip ein gewaltsamer Akt.
Er kann sogar schmerzen, wenn man ungewollt in den Blitz hineinschaut. Die Metapher des Fotoapparates als Waffe wird vom Blitz noch unterstützt. Wie ein Zielfernrohr montieren wir ihn auf den Apparat und schleudern (wie Zeus) den Lichtblitz dem Objekt entgegen. Der Künstler Julius Von Bismarck hat es mit seinem “The Image Fulgurator (2007-2008)” auf die Spitze getrieben in dem er Symbole in die Aufnahmen hineinblitzte. Dies zeigt mehr eine aggressive Form des Blitzens. Aber natürlich darf man nicht vergessen, dass der Blitz dem Fotografen unendlich mehr Möglichkeiten bietet sein Objekt “künstlich aufgehellt” also künstlerisch darzustellen.
Die künstlerische Fotografie bedient sich daher gerne des Blitzes (sowie die Werbefotografie), weil sie nicht wahrhaftig sein will, der Fotojournalist wird ihn eher vermeiden, da er eine realistische, Dokumentation beabsichtigt. So ist die Verwendung des Blitzes immer auch die Frage nach der Absicht des Fotografen.