Kein anderes Medium als die Fotografie hat eigens in ISO-Normen fixierte Klimabedingungen für seine Aufbewahrung festgeschrieben. So gilt zum Beispiel für chromogen entwickelte Farbabzüge, sog. C-Prints, in der Norm (ISO 18934:2011) bereits seit den 90er Jahren eine Temperatur von 2°C oder sogar kälter als geeignet für die Langzeitaufbewahrung, um die originale Farbigkeit der Abzüge möglichst lang zu erhalten.
So sollte man meinen, dass ein derartiges Depot der Traum einer/s jeden Fotorestaurator*in ist. Doch sind diese Werte aus den Industrie-Normen wirklich auch eins zu eins in den Museumsalltag zu übertragen? Und darf man derartige klimatische Bedingungen in Zeiten globaler Klimaerwärmung überhaupt noch ohne schlechtes Gewissen fordern? Denn ohne Zweifel ist und wird Kühlen immer energieintensiver und somit auch teurer werden.
In einem zeitgenössischen Museum liegen die Fotografien oftmals nicht nur lose vor, sondern häufig auch in Kombination mit anderen Materialien. Dies kann zum Beispiel Holz oder Metall einer Künstlerrahmung sein, für die die Abzüge flächig rückseitig kaschiert oder auch nur punktuell montiert wurden. Eine andere Variante wären beidseitig kaschierte Arbeiten, wie im Falle einer Diasec-Arbeit, die bildseitig mit Plexiglas und rückseitig mit PVC oder Aludibond kaschiert sind. Betrachtet man rein das fotografische Material, mögen sehr kalte Bedingungen in der Langzeitaufbewahrung geeignet sein, aber was ist z.B. mit dem Holz der Künstlerrahmung, der Plexiglas-, Aludibond- oder PVC-Platte? Für diese Werkstoffe gelten wesentlich wärmere Aufbewahrungsbedingungen als geeignet. Ganz zu schweigen von den verwendeten Klebstoffen, von denen die selbstklebenden Materialien oft auch mit sinkenden Temperaturen an Klebkraft verlieren.
In einem ruhenden Archiv oder einer ruhenden Sammlung, deren kalt zu lagernde Materialien vor dem Einbringen ins Depot meist digitalisiert wurden, zum Beispiel im Fall von Negativen, scheint die Frage der Konsultation des Originals weniger relevant. Im Museum bzw. im „bewegten“ Archiv bedeutet jedoch jede Ausleihe, jedes Abfotografieren, jede Ausstellung oder auch jede Bearbeitung Klimastress für das Objekt. Verschiedene Werkstoffe haben unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten, die sich im Falle von starken Klimaschwankungen auch entsprechend verändern und evtl. sogar zu Verwerfungen oder Delaminationen der einzelnen Materialkomponenten führen können. Bei lediglich punktuell montierten Fotografien kann es bei Klimaschwankungen in Folge der lokalen Fixierung sogar zu massiven Verwerfungen der Arbeiten kommen. Darüber hinaus ist beim Ausheben der Werke aus der Kaltlagerung meist eine langsame Zwischenklimatisierung bis zum Erreichen des Ausstellungs-/Bearbeitungsklimas notwendig, weil sonst ggf. oberhalb des Taupunktes Kondenswasser an den Objekten entstehen könnte. Wünschenswert wäre für den Museumsbereich eine genaue Untersuchung, ab welcher Häufigkeit die enormen Klimaschwankungen beim Ausheben der Kunstwerke aus der Kaltlagerung für das Werk genauso suboptimal sind wie ggf. eine Lagerung bei wärmeren Temperaturen, welche letztendlich auch weniger Energie verbrauchen und nicht nur Greta Thunberg erfreuen würde.
Halten wir schlussendlich fest, Fotografien und die mit ihr verbundenen Materialkombinationen müssen immer in ihrer Gesamtheit differenziert betrachtet werden, um die geeignetsten Klimabedingungen für deren Aufbewahrung festzulegen. Hier liegt, wie so häufig, die Lösung im Kompromiss, auch hinsichtlich einer längst nicht aufzuhaltenden globalen Klimaerwärmung.
Kristina Blaschke-Walther
…ist Restauratorin für Fotografie am Sprengel Museum Hannover