Gepflegte Langeweile – Grenzen des Dokumentarischen

Der 1969 geborene Alec Soth ist einer der erfolgreichsten Fotografen der letzten Jahre – sofern man „Erfolg“ an der Menge seiner Ausstellungen bemisst, die sich auf seiner Homepage verfolgen lässt: http://alecsoth.com/photography/?page_id=125

Die Hamburger Deichtorhallen zeigen vom 8.9.2017 bis 7.1.2018 eine mittelgroße Überblicksausstellung des Fotografen, der im Pressetext als „bildender Künstler, Magnum-Fotojournalist, Blogger, Selbstverleger, Instagrammer und Pädagoge“ vorgestellt wird. Die Auswahl der ca. 65 ausgestellten Arbeiten der Ausstellung liegt dabei auf den Büchern Sleeping by the Mississippi (2004), Niagara (2006), Broken Manual (2010) und Songbook (2014), deren Auswahl in dem die Wanderausstellung begleitenden Band Gathered Leaves versammelt sind, dessen zweite Auflage auch schon nahezu ausverkauft ist.

Wodurch zeichnet sich nun Soths fotografischer Blick aus? In Hamburg möchte man ihn erklärtermaßen in der Tradition von Robert Frank, Stephen Shore und Joel Sternfeld verorten. Das mag zutreffen, weil seine Bilder eigentlich keine experimentellen Ansätze aufweisen und so eher einer subjektiven Dokumentarfotografie anzugehören scheinen, die an manchen Stellen auch Nähen zu so motivisch disparaten Ansätzen wie denen von Nan Goldin, Rineke Dijkstra oder Mitch Epstein offenbart. Der brave Impuls des Dokumentarischen, der sich im konventionell komponierten Foto mehr für das bisweilen humoristisch aufgeladene Motiv als für eine visuell irritierende Bildlichkeit interessiert, wie sie alternativ dazu etwa im benachbarten Hamburger Kunstverein Wolfgang Tillmans stets neu erfindet, gerät bei Soth an die Grenzen des Künstlerischen. Seine Bilder zielen vielmehr auf das alt ehrwürdige Magnum-Publikum. Das ist kein Problem, solange es deutlich ausgesprochen wird, aber genau diese differenzierte Charakterisierung des Ansatzes von Soth scheint in den Deichtorhallen nicht von Belang – obwohl sich populär und präzise im Bereich der Vermittlung nicht per se ausschließen müssen.

Um es klar zu sagen: als Foto-Journalist und Chronist einer bestimmten amerikanischen Gegenwart mag Soth faszinieren, aber als Künstler wiederholt er in der Hamburger Präsentation nur allzu bekannte Bildformeln, die allenfalls dazu taugen vergleichende Erinnerungen wachzurufen, darüber hinaus aber ermüdend wirken. Wie aber kann Soth dann so „erfolgreich“ sein? Vielleicht liegt es einfach daran, dass der von Walker Evans so wirkungsmächtig beschworene „dokumentarische Stil“ in seiner verlangsamenden Optik nur mehr als konservative Reaktion auf die Bilderfülle des digitalen Zeitalters fungiert und ohne weitere (z.B. konzeptuelle) Zusätze in der Gegenwart keine künstlerische Relevanz mehr besitzt. Soth ist sein Erfolg zu gönnen, aber die ausstellenden Institutionen sollten dem Besucher klarmachen, das avantgardistische Kunst etwas anderes ist als die unreflektierte Pflege etablierter Sehgewohnheiten, die außerhalb des fotohistorisch vorgebildeten Publikums womöglich noch gar nicht bekannt ist.

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