Die kunstwissenschaftlichen Kategorien des „Früh-“ und des „Spätwerks“ sind im Sinne einer kritischen Historiographie sicher nicht ganz unproblematisch. Tatsächlich aber kann man sich oft nicht des Eindrucks erwehren, dass sie empirisch nachweisbare Phänomene beschreiben. Das belegt auch das Werk des 1951 in Essen geborenen Axel Hütte, der von 1973 bis 1981 an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat und dabei auch der ersten Generation der viel gepriesenen Becher-Schüler angehörte.
Erstaunlicherweise – wer kann die Mechanismen des Kunstmarktes schon vollständig begreifen? – zählte er jedoch nie zu den merkantil erfolgreichsten Vertretern dieser Klasse, was sich auch museal in einer vergleichsweise nur geringen Anzahl an Einzelausstellungen in den museal renommiertesten Ruhmeshallen ablesen lässt. Und so ist es vielleicht bezeichnend, dass Hüttes aktuelle Doppel-Retrospektive (immerhin!) sowohl in Bottrop als auch in seinem Wohnort Düsseldorf stattfindet.
Während der Düsseldorfer Museum Kunst Palast einen Überblick über Hüttes Fotografie seit 1995 zeigt, konzentriert sich das leider etwas abgelegene Josef Albers Museum Quadrat Bottrop noch bis zum 7.1.2018 auf Axel Hüttes Frühwerk, also die Zeit von 1978 bis 1995. Es ist, um es vorweg zu nehmen, die kunsthistorisch sicherlich wichtigste Periode seines Werkes und wird in dem klar strukturierten Gebäude auch in dankenswert präziser Manier vorgeführt.
Während Hütte in den letzten zwei Jahrzehnten vor allem durch seine monumentalen, bisweilen romantisch anmutenden Landschaften aufgefallen ist, untersuchen seine früheren Arbeiten den gesellschaftlichen und urbanen Nukleus der Welt. In Bottrop wird sehr eindringlich deutlich, dass er mit seinen Porträts und den U-Bahnhöfen, die nahezu zeitgleich in den ausgehenden siebziger Jahren, also noch während seines Studiums bei den Bechers entstanden, eine bildgeschichtliche Position eingenommen hat, die bis zu dieser Ausstellung geflissentlich übersehen wurde. Nicht dass Hüttes Porträts vollkommen unbekannt gewesen wären – der Konflikt zwischen ihm und Ruff um die Innovation des großformatigen Porträts wird in der Literatur immer wieder kursorisch erwähnt; aber der (merkantile) Triumph gilt und galt doch eher Ruff, dessen Porträts vor weißem Hintergrund seit 1986 sicherlich auch eine formal viel größere Strenge und Konsequenz besitzen. Jedoch wird in dieser Ausstellung überzeugend vor Augen geführt, dass Hüttes Serie von Porträts vor farbigem Hintergrund bereits 1978 bis 1980 und damit genau vor Ruffs erster Serie entstand, die 1981 bis 1985 datiert. Abgesehen von diesen Details für Düsseldorfer Liebhaber sind auch die visuellen Veränderungen der Dargestellten mitunter amüsant, handelt es sich – wie bei Ruff – doch auch bei diesen Personen zumeist um Künstlerkollegen aus dem Rheinland, in einigen Fällen auch aus den USA. As time goes by…
Nicht minder faszinierend auch ein Raum mit Berliner U-Bahnhöfen, in denen Hütte eine sehr klare architektonische Bildsprache im Spannungsfeld von Bild und Text findet und, der Erwartung an einen normalerweise übervollen Ort widersprechend, er vollkommen auf die Präsenz von Menschen verzichtet. Die horizontal extrem gestreckten, jeweils dreiteiligen Bilder gewinnen somit eine zeichenhafte Dimension, die vielleicht gerade dadurch den letztlich immer subjektiven Blick des Fotografen nicht völlig kassiert. Damit erscheinen die U-Bahnhöfe wohl auch noch eindrucksvoller als jene visuellen Analysen des städtischen Raumes, die in den achtziger Jahren Hüttes Werk bestimmen und sodann ihrerseits die Schritte in die Landschaft vorbereiten. Vielleicht wäre er mal besser nicht so weit gegangen, mag man sich im Anschluss an dieses bestechende Frühwerk denken und zugleich Dorthes Song von 1968 summen.