In den letzten Jahren laufe ich häufiger durch Foto-Ausstellungen in Museen, bei denen ich Arbeiten begegne, die ich andernorts schon einmal gesehen habe und die in meiner Erinnerung doch anders aussehen als bei der ersten Begegnung mit ihnen.
Das betrifft nicht nur Werke von Zeitgenossen, die nach der ersten Produktion ungerührt Größe, Rahmung, Drucktechnik o.a. ändern. Das ist sicherlich legitim und auch historisch nichts Neues bzw. Foto-Spezifisches, aber dann sollte das ausstellende Institut schon darauf drängen die neue Arbeit als „exhibition copy“ o. dgl. zu kennzeichnen, zumindest die Veränderung gegenüber der ursprünglichen Fassung auf dem dazu gehörenden Schild anzeigen. So wie der Künstler das Recht zu Veränderungen hat, darf auch der Betrachter von diesen Veränderungen erfahren. Konkret: ein Bild zu vergrößern, zu verkleinern oder in einer anderen Technik zu printen und dann den Umstand nicht bekannt zu geben, dass es genau dieses Motiv schon einmal in einem anderen Modus gegeben hat, ist unseriös.
So viel zu den Zeitgenossen. Schwieriger wird es bei Fotografien, die nicht mehr so einfach „neu“ herzustellen sind: Sollten Museen diese überhaupt zeigen oder nicht besser zum Schutze im Depot bewahren? Für wen sind die „Originale“ dann aber überhaupt zugänglich? Nur für Restauratoren, Kuratoren oder vereinzelte Forscher? Sollten wir stattdessen nur noch „Modern“ oder gar „Re-Prints“ zeigen? Und zwar auch dann, obwohl die „Vintages“ vorhanden sind? Oder hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf das „Original“ zu sehen – selbst um den Preis seiner fortschreitenden Zerstörung? Gehört der Verfall (nicht) auch zur Kunst? Aber warum beschäftigen wir dann überhaupt Restauratoren?
Das vielleicht nahe liegende Argument, das der Begriff des „Originals“ heute ohnehin obsolet sei, geht an der musealen Praxis leider vorbei. Und das Problem löst sich auch nicht durch die zusätzliche Anschaffung eines „zweiten“ Bildes, einer „exhibition copy“ eines Fotos – eine seit Jahren auf internationaler Ebene gängige Praxis. Das ist fast nur bei Zeitgenossen möglich und verzögert das grundsätzliche Problem nur für einen befristeten Zeitraum.
Ich plädiere stattdessen bei Sammlungspräsentationen tatsächlich für die weitgehende Präsentation von Modern Prints – sofern bei der Beschriftung transparent gemacht wird, was genau sich hier vom „Original“ unterscheidet. Besser eine leichte Variante vom „Original“, die ich zwei Jahre oder länger einem größeren Besucherkreis zeigen kann als eine nur maximal 3-monatige Hängung in zwei oder mehr Jahren. Dient das nicht sowohl dem Bildungsauftrag des Museums und dem Schutz der Kunst zugleich? Bedenkenswert aber bleibt, ob man mit dieser Vorgehensweise nicht sogleich den Ausstellungszirkus weiter anheizt – wollen wir das?
Stefan Gronert
…ist Kurator für Fotografie am Sprengel Museum Hannover
Um einen originalen Picasso genießen zu können, müsste man mit einer Lupe tief in die Seele der Kreation hineinschauen
der blog ist angenehm zurückhaltend gestaltet und die beiträge sind prima!