In einem der vorherigen Beiträge sprach Kristina Blaschke-Walther über Kunststoffe in der fotografischen Materialität und stellte die Frage nach bedeutenden Trägermaterialien in der Fotografie – neben dem klassischen Papier. Mit drei Neuzugängen in die Sammlung des Sprengel Museum Hannover taucht nun ein weiteres, selteneres aber durchaus interessantes Trägermaterial auf, das sich lohnt hier aufgegriffen zu werden. Es zeigt sich daran einmal mehr, wie vielschichtig Kunstwerke sein können und wie entscheidend auch interdisziplinärer Austausch ist, um konservatorisch die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Bei der Arbeit „Impermeables 1992-2002“ von Thierry Geoffroy / Colonel handelt es sich um drei Mäntel, die vielfach direkt fotomechanisch bedruckt bzw. mit aufgenähten, bedruckten Textilteilen versehen sind. Grundlage dieser Drucke sind Fotografien, die Thierry Geoffroy / Colonel selbst aufgenommen oder als Standbild aus seinen Videoinstallationen verwendet hat. Sicher handelt es sich hierbei nicht um fotografische Werke im klassischen Sinne. Dass Fotografien auf textilen Bildträgern auftauchen, ist aber keineswegs eine neue Entwicklung.
Im 19. Jahrhundert gab es mit der Pannotypie erste Versuche, fotografische Bilder auf flexible Materialien wie Gewebe und Leder anstelle von Glas oder Metall zu bringen. Dabei wurde das Trägermaterial mit einer lichtempfindlichen Kollodiumschicht überzogen und nach der Belichtung mit Lack versiegelt. So entstand ein dünnes, biegsames Bild, das vor allem im Vergleich zu Glasplatten sehr leicht und bruchsicher war. Später folgte Fotoleinen, das ebenfalls mit einer lichtempfindlichen Schicht, meist Silbergelatine, hergestellt ist und entsprechend belichtet und entwickelt werden kann. Es erlaubte vor allem großformatige Bilder zu schaffen, die auf Papier nicht stabil genug gewesen wären. Boris Mikhailov, dessen Werke ebenfalls in unserer fotografischen Sammlung vertreten sind, verwendete Fotoleinen für seine künstlerische Arbeit vor allem in den 1990er Jahren und nutze dabei auch die Haptik des Materials für die Bildwirkung.
Für uns Fotorestaurator*innen bedeutet dies zusätzliche Herausforderungen: Anders als Papier ist der textile Träger ein dem Fachbereich eher fremdes Material. Wie ist mit Nähten, Einrissen und Falten umzugehen? Wie verhält sich das Gewebe im Zusammenspiel mit den fotografischen Schichten und Farbmedien? Kunstwerke wie Thierry Geoffroy / Colonels Mäntel bringen noch eine ganz eigene Bedeutungsebene mit. Sie sind nicht nur Bildträger, sondern zugleich getragene Bilder mit eben diesen Gebrauchsspuren. Das macht jede konservatorische Entscheidung komplexer, wenn es um Reinigung, Stabilisierung, Lagerung und Präsentation geht.
Gerade diese Hybridität fordert uns Restaurator*innen interdisziplinär und fachbereichsübergreifend zu arbeiten. Bei den bebilderten Mänteln stellt sich vor allem die Frage, wie bedruckte Flächen an den Außen- und Innenseiten stabilisiert werden können, ohne dass die textile Struktur und künstlerische Intention verfälscht wird. Vom historischen Textilträger über Mikhailovs künstlerisches Arbeiten bis zu Thierry Geoffroy / Colonels bedruckten, konzeptuellen Mänteln öffnet sich hier ein breites Feld, das aus konservatorischer Sicht spannende Fragen aufwirft und ebenfalls aufzeigt, dass Fotografie nicht nur auf Papier zu Hause ist.
Franziska Leidig
…ist Restauratorin für Fotografie am Sprengel Museum Hannover
BU: Thierry Geoffroy / Colonel, Impermeables 1992-2002, Sprengel Museum Hannover (Foto: F. Leidig).