Zanele Muholi im Sprengel Museum Hannover

Alle zwei Jahre wieder wird er verliehen: der SPECTRUM-Preis für internationale Fotografie der Stiftung Niedersachsen.

Gekürt von einer hochrangigen Jury, der Tine Colstrup (Louisiana Museum of Modern Art Kopenhagen), Yilmaz Dziewior (Museum Ludwig Köln), Lavinia Francke (Stiftung Niedersachsen), Beral Madra (BM Contemporary Art Center, Istanbul) und Inka Schube (Sprengel Museum Hannover) angehörten, wird diesmal Zanele Muholi (*1972 in Umlazi, Südafrika) geehrt. Dazu richtet das Sprengel Museum aktuell eine von der Künstler und Inka Schule kuratierte Wechselausstellung unter dem Titel ZAZISE aus, die bis zum 10. Oktober, also zwischen den großen Präsentationen in der Tate Modern (Pandemie-bedingt nahezu unsichtbar) und dem Gropius-Bau in Berlin, zu sehen ist.

Seit 1996 schützt die südafrikanische Verfassung die Rechte von LGBTQ+ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer). Obwohl seit 2006 auch der Weg für die gleichgeschlechtliche Ehe geebnet ist, sind homophobe und Hassverbrechen immer noch weit verbreitet. Mit großer Konsequenz zielt der visuelle Aktivismus von Zanele Muholi daher auf die Auflösung repressiver Narrative und auf die Produktion ermächtigender und ermutigender visueller Archive. ZAZISE, ein Wort aus isiZulu, Muholis Muttersprache, bedeutet “mach dich bekannt”, auch “informiere dich”. Im Blickwechsel mit den von Muholi Porträtierten erfahren wir unsere strukturelle Verwobenheit mit Entrechtung und Diskriminierung, unsere eurozentristische Perspektive. Wir werden aufgefordert, über Verständnis und Empathie neue Wege im Umgang mit ‚den Anderen‘ zu finden.

Die Ausstellung ZAZISE bietet einen Überblick über Selbstporträts aus unterschiedlichen Schaffensphasen. Problematiken wie HIV/AIDS-Präventionsprogramme, in denen Frauen, die Frauen lieben, nicht berücksichtigt werden, wie die opferstereotypen Darstellungen der schwarzen LGBTQ+ Überlebenden von Gewaltverbrechen in den Townships Südafrikas, wie strittige Formen von Schönheit und die Konstruktionen von Geschlechterstereotypen, Machtverhältnisse in der Sexarbeit und die Unfreiheit von Hausangestellten bilden zentrale Themen. FACES AND PHASES (seit 2006) ist als fortlaufendes Archiv der LGBTQ+ Communities ganz der Selbstdarstellung der Porträtierten, ihrer Würde und ihrer Einschreibungen in die Geschichte gewidmet. BLOOD MANDALAS (seit 2010) würdigt und betrauert die Überlebenden sogenannter ‘heilender Vergewaltigungen’ und Opfer von Hassverbrechen.

Zudem stehen zwei Videoarbeiten stehen im Zentrum der Ausstellung: In EYEME (2012) verweist ein Raster aus starrenden menschlichen Augen auf die Komplexität wechselseitigen Sehens. In LONA UMZIMBA WAMI (“Dies ist mein Körper”, 2012) erkundet Zanele Muholi die Selbstbehauptungsmöglichkeiten des eigenen Leibes. Dabei geht es wie so oft in diesem Werk auch um die Konstruktionen unsere eigenen Identitäten – darum, wie sie sich, je nachdem, wer uns ansieht, verändern. Schließlich stehen Acrylmalereien aus den letzten zwei Jahren für intensive, ‘heilsame‘ Auseinandersetzungen mit Farbe und Form, für neue Zugänge zu Selbst- und Fremdbefragungen.

 

BU: Zanele Muholi, Miss (Black) Lesbian, 1. Miss Lesbian II, Amsterdam, 2009, C-Print, © Zanele Muholi