Wie man mit einem verfehlten Titel doch eine wunderbare Ausstellung macht

“The Moment is Eternity – Works from the Olbricht Collection”: Ausstellungs-Titel sind nicht immer das einfachste Genre. Und deshalb muss man sich vor dem im Berliner „me Collectors Room“ angekündigten Pathos auch nicht erschrecken und darf bis zum 1.4.2019 ganz unbefangen durch die große Privatsammlung schlendern. Das Feuerwerk dessen, was man hier zu sehen bekommt, kann der schwülstige Titel nicht im Ansatz andeuten.

Die Sammlung von Thomas Olbricht ist – mit Ausnahme seines großen Cindy Shermann-Konvoluts – bislang nicht unbedingt als ein Hort der Fotografie bekannt. Die von Annette Kicken ausgewählte Zusammenstellung ändert dieses Wissen durch die etwas unglücklich betitelte Ausstellung allerdings gewaltig. Dabei ist es weniger die Masse als vielmehr die ausgesuchte Qualität der Einzelbilder, die in der Berliner Ausstellung beeindruckt. Wie für eine Privatsammlung ja angemessen, gewinnt man unweigerlich den Eindruck, dass es sich hier um keine systematische Herangehensweise, sondern um eine sehr subjektive Zusammenstellung geht, die man im Kontext der anderen Interessen von Thomas Olbricht zu sehen ist und sich keinem spezifisch medialen Fokus verdankt.

Eben dies macht die überaus erfrischende Zusammenstellung von Annette Kicken deutlich, die vor allem auch verblüffend schöne Gruppierungen vorgenommen hat und zwar in einer Form, wie man sie selten sieht: Wer hängt schon eine Reihe von 18 sehr unterschiedlich großen Bildern aus unterschiedlichen Jahrzehnten und von unterschiedlichen Fotografen in eine nahtlose Reihe und nimmt die Unterkante des Rahmens als visuellen Sockel? Ganz schön frech, aber visuell funktioniert es erstaunlich gut. Gleiches gilt für die unförmige Anordnung der Figuren-Bilder gleich am Eingang der Ausstellung, wo Juergen Teller, Dürer, Kirchner, Friedlander, Zoe Leonard, Russ Meyer und andere nebeneinanderstehen: Das geht doch gar nicht? Doch es geht – und zwar ohne dass das Einzelbild dem Oberthema der Ikonographie zum Opfer fällt.

Einige Themenschwerpunkte deuten sich im Verlauf der Präsentation immer wieder an und dass das Ganze sich nicht in einem puren Chaos der Bildervielfalt verliert, dafür sorgen dann auch die klug positionierten Serien wie die von Nicholas Nixon („Brown Sisters“ – in kleiner Fassung), August Sander („Antlitz der Zeit“) oder Gerhard Richter („48 Portraits“ als Foto-Edition). Eingestreut sind in die motivische Gruppierung der Fotografien oft wunderbare Gemälde des 17. und 19. Jahrhunderts sowie ein riesiger Franz Gertsch, Papierarbeiten der klassischen Moderne oder einige (vielleicht sogar verzichtbare, aber auch nicht störende) Stücke aus der bekannten Wunderkammer des Sammlers.

Alles in allem also eine visuell belebende Präsentation, die kuratorisch in einer unbekümmerten Manier einen medienspezifisch befreiten Kosmos eröffnet, wie man ihn ansonsten allenfalls von Wilhelm Schürmann vorgeführt bekommt. Man muss nicht jedes Werk lieben, lernt aber auf jeden Fall eine Menge über ein wohl überlegtes Ausstellungs-Machen. Kompliment an die Kuratorin Annette Kicken!

 

BU: André Gelpke, Christine mit Spiegel, 1977