Wenn Masse in Klasse umschlägt: Bettina Dunker zum Bilder-Plural in der zeitgenössischen Fotografie

Dass Fotografie in der zeitgenössischen Kunst nicht immer in Gestalt eines Einzelbildes (vielfach als „Tableau“) begegnet, sondern – im Gegenteil – bevorzugt als ein plurales Phänomen, ist nicht erst seit der verstärkten Diskussion von Archiven, dem Internet oder auch der Bilderflut ein bekanntes Phänomen. Ein Foto kommt selten allein.

Abgesehen von einigen Ausstellungen, die sich dieses Themas unter speziellen Fragestellungen angenommen haben (man denke an „Deep storage“, München 1997 oder „Speicher fast voll“, Solothurn 2008), gibt es allerdings kaum einen systematischen Überblick zu diesem Thema. Den bietet nun die Dissertation von Bettina Dunker. In solider wissenschaftlicher Manier leistet sie zunächst einen Überblick und eine Begriffsdefinition, die sich an den bildgeschichtlichen Forschungen von Felix Thürlemann und David Ganz abarbeitet und deren Blickrichtung für spezielle fotohistorische Fragestellungen medienästhetisch präzisiert.

Dabei kommt sie in mitunter etwas ausschweifender Manier zu unterschiedlichen Typen des Bilder-Plurals, z.B. installativen Präsentationen, Foto-Büchern oder auch Projektion. Dies wird in Fallstudien etwa zu Wolfgang Tillmans, Peter Piller Fischli & Weiss und Nan Goldin sowie anderen Positionen erläutert und präzisiert, wobei Bettina Dunker im Einzelfall zu wirklich interessanten Beobachtungen auch abseits ihres eigentlichen Themas kommt, wenn sie z.B. für Piller betont, dass es sich nicht um Appropriation im engeren Sinne, sondern um Recycling handelt (vgl. 139). Darüber hinaus reflektiert sie die Problematik der Vielzahl der Fotografie im Hinblick auf das Verhältnis von künstlerischer Produktion und Kunstmarkt, was ebenfalls durchaus originell ist, aber dann doch zu keinen überraschenden Ergebnissen führt.

Ähnliches gilt für ihre abschließende Frage, ob die zeitgenössische Kunst einen Plural der Bilder nicht geradezu fordern oder zumindest präferieren würde, die in einen Ausblick zu künstlerischen Reaktionen auf das Internet führt, die Dunker bei Projekten von Joel Sternfeld, Jon Rafman u.a. mündet. Auch an dieser Stelle hätte man sich gewünscht, dass die inhaltlichen Längen einer mitunter mäandernden Argumentation, die das Buch an manchen Stellen aufweist, durch ein kritisches Lektorat verkürzt worden wären, so dass die wirklich systematische Klarheit, welche Bettina Dunkers Buch ebenfalls auszeichnet und es zu einem Gewinn für die allgemeine Diskussion der zeitgenössischen Fotografie macht, stärker profiliert worden wäre.

 

Bettina Dunker, Bilder-Plural. Multiple Bilderformen in der Fotografie der Gegenwart, Paderborn: Wilhelm Fink Verlag 2018