„Voll cool“ = „voll nicht mehr möglich“. Die Auswirkungen der Energiekrise

Bereits 2020 erschien der Beitrag „Voll cool“ revisited im Rahmen dieses Blogs, in dem Gedanken zur Kaltlagerung von Fotografie unter anderem hinsichtlich der Klimaerwärmung formuliert wurden. Heute, etwa 2 Jahre später hat sich aufgrund der politischen Situation die Lage nochmals deutlich zugespitzt.

Energie wird uns schlichtweg nur noch sehr begrenzt zur Verfügung stehen, so dass Institutionen sich auf einen neuerlichen Lockdown, diesmal aus energetischen Gründen, vorbereiten und Maßnahmen erwägen müssen, ihre Sammlung im Falle von ausbleibender Energie und damit auch ausbleibender Klimatisierung trotzdem bestmöglich zu erhalten. Doch was bedeutet eine unzureichende Klimatisierung genau für den Erhalt von Kunst- und Kulturgut?

Im Falle einer organischen Materialität, wie Fotografie und auch Kunstwerken auf Papier, ist ein konstantes Klima überaus wichtig. Hierbei gilt es vor allem starke Schwankungen der Temperatur und der relativen Luftfeuchte zu vermeiden. Dazu kommt, dass bei einer relativen Luftfeuchte oberhalb von 60% die Gefahr eines Mikroorganismenbefalls, also stark gesundheitsschädlichem Schimmel, mit jedem zusätzlichen Prozent Luftfeuchte zunimmt. Auch Schädlinge, wie z.B. Silberfischchen, bevorzugen höhere relative Feuchten. Bei einer zu geringen Luftfeuchte, für Fotografie etwa unterhalb von 30%, beginnen Werke zu dehydrieren und ab einem gewissen Punkt irreversibel ihren Feuchtegehalt zu verlieren. Doch was können wir tun, um solche konservatorischen Horror-Szenarien nicht Realität werden zu lassen?

Sicherlich muss jede Institution für sich selbst eruieren, in welchem Gebäudeteil durch Klimatisierung am wenigsten Energie verbraucht wird und wo die Energieversorgung am längsten erhalten werden kann bzw. sollte. Außer Frage steht, dass Depots mit unzähligen Werken hier die höchste Priorität genießen sollten. Es gilt zu prüfen, welche Gebäudeteile aufgrund ihrer baulichen Beschaffenheit bereits ein vergleichsweise konstantes Klima, auch ohne Klimatisierung, vorhalten. Hochklassige Werke dann vor allem dort zu lagern, macht Sinn. Gleichzeitig kann man darüber nachdenken, starke Klimaschwankungen durch weitere Maßnahmen möglichst gut abzupuffern. Hier kommen z.B. Schutzverpackungen und Rahmungen ins Spiel, welche Klimaschwankungen zumindest abmildern.

Die konservatorische Forderung von niedrigen Temperaturen in Kühldepots scheint momentan nur allzu absurd. Eine deutliche Erhöhung der Temperatur muss in Erwägung gezogen werden, denn ein konstantes, wärmeres Klima ist besser, als ein kühles Klima mit immer wiederkehrenden starken Schwankungen. Folglich muss jedes Haus basierend auf den o.g. Überlegungen für sich ein individuelles Konzept entwickeln, welche Maßnahmen die meiste Energieersparnis bei noch bestmöglichen Bedingungen für die Werke erbringen.

Um überhaupt etwas Positives an der Situation zu sehen, ist dies eine längst notwendige Beschäftigung in diesem Ausmaß mit einem nur allzu gegenwärtigen Thema. Eigentlich sollte die Klimaerwärmung an sich bereits ausreichend Grund sein, derlei Maßnahmen abzuklären.

Kristina Blaschke-Walther

…ist Restauratorin für Fotografie am Sprengel Museum Hannover

 

BU: Bernd und Hilla Becher, Kohlebunker, 1973-80, 4 Silbergelatineabzüge, Sprengel Museum Hannover

Copyright: Estate Bernd & Hilla Becher/represented by Max Becher

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