Meta-Ware: Der neue Blick der Drohnenfotografie

Schon seit einigen Jahren ist die Fotografie durch Weiterentwicklungen der Drohnentechnologie beherrscht von einem neuen Neuen Sehen, welches den Blick von ganz weit oben hinabschweifen lässt. In der Pressefotografie bereits mehr etabliert, eröffnet es auch im künstlerischen Bereich ein noch wenig beachtetes Genre.

Schon 1863 hatte Nadar die Idee gehabt, aus der Höhe seines Luftschiffes „Le Géant“ Luftbilder von Hannover zu machen. Die Reise von Paris gelang nicht ganz, aber die Faszination, Bilder aus der Vogelperspektive festzuhalten, ist bis heute nachvollziehbar. Nun ist es durch Drohnen – kaum so groß und laut wie ein Vogel – auch um einiges einfacher (und auch günstiger) geworden, einen solchen Blick einzufangen, auch ganz unbemerkt vom geschäftigen Treiben „da unten“.

Die Drohnenfotografie kann Grenzen überwinden und ist nicht nur deswegen in der dokumentarischen Fotografie bereits ein wichtiges Instrumentarium geworden, welches neue Einsatz- und damit Aufdeckungsmöglichkeiten bietet. Gerade Tomas van Houtryve legt in seinen Arbeiten das kritische Potenzial dar, in dem er Plätze fotografiert, an denen bereits militärische Drohnen eingesetzt wurden. Eine Gesellschaft zwischen Drohnenkrieg ohne augenscheinliche Täter und visueller Zurschaustellung von Privatsphäre ohne augenscheinliche Opfer – dazwischen pendelt sich die Drohnenfotografie als Sinnbild für eine sich wandelnde Privatsphäre und omnipräsente Beobachtung ein.

Aber trotz allem kritischen Potenzial der Drohnenfotografie (der kritisierenden, dokumentarischen Fotografie als auch der Kritik ihr selbst gegenüber) breitet sich auch ästhetisch eine völlig neue Welt vorm Auge des Betrachters aus. Andere Dinge als Details werden wichtig, wenn dann die Details in ihrem kompositorischen Zusammenhang. Geometrische Formen, Schattenwurf und komisierende Redundanzen treten in den Vordergrund. Es sind Bilder, in denen es entweder viel zu entdecken gibt, oder aber die durch Simplizität wirken. Nicht nur Landschaften rollen sich in anderen Winkeln in Flächen vor dem Betrachter aus; Gebäude erscheinen als transformierte Körper, Fluchtlinien weiten sich. Das fotografische Bild löst sich erneuert von der herkömmlichen humanen Größe der Augenhöhe. Damit dominiert nicht mehr die vertikale Erscheinung, sondern die horizontale Ausdehnung die Bildaussage.

Drohnenfotografie ist also ein im kunstwissenschaftlichen Feld noch zu erfassendes Genre, welches durch seinen Blickwinkel begründet wird; einem losgelösten Blick, ähnlich wie beim Neuen Sehen eben. In all ihren Facetten ist sie auf jeden Fall ein Genre, welches sich zu beachten lohnt.

Julia Catherine Berger

…ist Kunstwissenschaftlerin aus Hannover

 

BU: Tomas van Houtryve, USA, 2014, photo courtesy of the artist

 

1 Kommentar zu Meta-Ware: Der neue Blick der Drohnenfotografie

  1. Wäre für McLuhan die Drohnen-Fotografie auch noch ein heißes Medium? (Heiße Medien erweitern nur einen Sinn des Menschen. Sie sind sehr Detailreich und bieten eine große Menge an Informationen. Die benötigte Aufmerksamkeitsspanne ist dementsprechend gering. Zu den Heißen Medien zählt McLuhan beispielsweise die Fotografie. Vgl. Die magischen Kanäle) Für ihn wäre das „fliegende Auge“ eine ausgeprägte Form des erweiterten Sehorgans. Doch die benötigte Aufmerksamkeitsspanne beim Fliegen der Drohne wäre sehr hoch? Für Flusser der jede Fotografie als ein Zusammenspiel zwischen Apparat und Fotograf deutet, könnte die Dornen-Fotografie sogar den Einfluss des Apparates noch erhöhen. Denn nicht nur das eingeschrieben Wissen im Fotoapparat, also seine Technik/Code beeinflusst die Fotoproduktion immer mit, sondern nun auch die Technik der Drohnen. Fraglich bleibt ob und in wie weit sich dadurch der Anteil des Fotografen auf die Produktion weiter herabgesetzt? Neue technische Möglichkeiten bedeuten auch immer neue technische Begrenzungen dieser Möglichkeiten, mit denen der Fotograf umgehen lernen muss, will er seinen Einfluss auf das Foto nicht einbüßen.

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