4 Fragen an…Katja Stuke & Oliver Sieber

Ihr arbeitet – ob in bewußter Tradition zu den legendären rheinischen Paaren Becher und Blume sei dahingestellt – als Paar und dann auch noch unter Pseudonymen wie Boehm Kobayashi. Außerdem kooperiert Ihr gern mit anderen Akteuren, macht Ausstellungen mit Dritten etc. Es gibt Euch aber auch als Einzel-Künstler. Wie würdet Ihr Eure Haltung beschreiben: spätavantgardistische Partizipation, Kritik der Autorschaft oder gar Anti-Künstlertum?

Wenn es eine dieser drei Möglichkeiten sein soll, wäre es wohl die der spätavantgardistische Partizipation. Unsere eigene Zusammenarbeit hat mit dem Dialog über unabhängig voneinander entstandenen Arbeiten begonnen – mit dem Sprechen über die gegenseitigen Arbeiten, der Gegenüberstellung in ersten 8- oder 12-seitigen Zines; das Finden von Gemeinsamkeiten unter einem übergeordneten Thema. Nach einer gewissen Zeit haben wir dann, zunächst für die Zines, gemeinsame Konzepte entwickelt wie z.B. “O.i.F. / Movie Locations” oder später “Fax from the Library”, aus denen dann umfangreichere Projekte entstanden. Unter der “Japanese Lesson” fassen wir z.B. auch gemeinsame und Solo-Projekte zusammen.

Zu Kooperationen mit anderen Künstler*innen kam es zum einem durch einen „virtuellen“ Ausstellungsraum, den wir bis ungefähr 2006 betrieben hatten. Daraus entstand die Ausstellungsreihe ANT!FOTO und verschiedenen weiteren Kooperationen, die in Blogs, in Publikationen, Ausstellungen oder Veranstaltungen mündeten, wie z.B. zuletzt zwischen Katja und Henguchi mit “Moon over Konohana” im Japanischen Kulturinstitut in Köln.

Autorschaft ist uns bei vielen Arbeiten schon wichtig, wir sind ja jede*r Autor*in der eigenen Arbeiten und kommunizieren das auch so. Bei einzelnen Arbeiten und Projekten thematisieren wir Fragen nach Autorschaft, wie z.B. dem “Mash Up” der “Japanese Lesson” oder bei “Fax from the Library”.

Es ist für uns eher die Frage der Beschränkung der Fotografie, die uns beschäftigt: Die Beschränkung auf Formate, Auflagen, Editionen, – werden die nicht eher durch den Markt bestimmt? So tauchen bei uns einzelne Motive in verschiedener Form schon mal in unterschiedlichen Serien auf, bei gemeinsamen Arbeiten sprechen wir nicht unbedingt darüber, wer jetzt auf den Auslöser gedrückt hat. Wir benutzen gerne den Kopierer oder haben zuletzt eine Arbeit mit einem Scanner und einem Kopierer produziert, bei der wir viele, sehr ähnliche Unikate hergestellt haben – mit Geräten, die ja eigentlich zur Reproduktion gemacht sind.

(Übrigens: neben den von Dir angesprochenen legendären Paaren fallen uns direkt noch ein paar andere ein: John & Yoko |  Homer & March |  Hanni & Nanni |  Gilbert & George | Barbie  & Ken | Harold & Maude | Siegfried & Roy |  Bonny & Clyde |  Ike & Tina |  Pünktchen & Anton |  Starsky & Hutch |  Mickey & Minnie Mouse |  Thelma & Louise | Simon & Garfunkel |  Kermit & Miss Piggy |  Laurie Anderson & Lou Reed |  Fischli & Weiss |  Kurt Cobain & Courtney Love |  Dolce & Gabbana |  Christo & Jean Claude |  Annie Leibowitz & Susan Sontag |  Batman & Robin…)

Meine vorangegangene, nicht ganz ernst gemeinte Frage nach dem „Anti“ ist durch Euer 2013 proklamiertes Manifest einer „Antifotografie“ begründet, das es immerhin in eine hehre Geschichte der Foto-Manifeste geschafft hat, die Bernd Stiegler zusammengestellt hat: http://www.fotomanifeste.de Wenn man es liest, klingt es versöhnlicher als es der Titel suggeriert und scheint – im Gegenteil sogar – allen disparaten Formen und Techniken des Mediums eine gleiche Wertigkeit einräumen zu wollen. Seht Ihr die internen Kontroversen innerhalb der Foto-Szene heute überhaupt noch als ein Problem an?

ANT!FOTO entstand 2010 durch das Angebot des Düsseldorfer Kulturamts, für den städtischen Kunstraum Fotografie-Ausstellungen zu entwickeln. Damals war in der „Fotostadt“ Düsseldorf  Fotografie nicht sooo sichtbar, wie man erwartet hätte. Neben der künstlerischen Fotografie gab und gibt es ja auch immer noch die „andere“ Szene von Mode- oder Werbefotograf*innen (die unserer Wahrnehmung nach für die hohe Dichte von Labors und Fachgeschäften in der Stadt verantwortlich war); redaktionelle und dokumentarische Fotografie nehmen wir hier weniger wahr. Wir wollten in unseren Ausstellungen Fotografie von anderen Schulen zeigen, Fotografie, die wir hier vermissten. Fotografie, die unterschiedliche Ansätze und unterschiedliches Denken über das Medium sichtbar macht, internationale Fotograf*innen einladen und einander vorstellen. Der soziale Aspekt des Dialogs und Austauschs ist uns immer sehr wichtig. Die Vernetzung, der später noch bestehende Kontakt.

Und übrigens: ANT!FOTO war tatsächlich nie als „ANTI“ gedacht, wir nutzen ja auch ein “!” und kein “i”. Der Titel entstand vielleicht eher aus dem Mangel, und einer etwas bockigen Haltung heraus, dass ein wenig die Emotion in der ganzen Sache fehlte. Außerdem muss „das Kind ja einen Namen haben”.

Das Manifest hatten wir nach der dritten Ausstellung verfasst, fast als Reaktion auf verschiedenen Anfragen, ob es denn ein Manifest gäbe, wenn wir schon ANTI sagen. Für die vierte Ausgabe des Magazins haben wir dann ungefähr 50 Autor*innen, Künstler*innen oder Kurator*innen eingeladen, auf unsere Statements zu reagieren.

Mittlerweile haben wir (vor Corona) die ANT!FOTO Bar einmal im Monat in Düsseldorf betrieben, seit Corona gibt es die virtuelle ANT!FOTO Bar und Ende Juli wird die Mobile ANT!FOTO Bar ihre Premiere feiern (im Rahmen von “Cabrio 2021” des Bielefelder Kunstvereins). Im Zentrum der Bar stehen Fotobücher: Für jede Veranstaltung bringen wir ca. 10 Bücher zu einem Thema aus unserer persönlichen Bibliothek mit, die die Besucher*innen blättern können (für den virtuellen Raum haben wir sie jede Buch vollständig abgefilmt).

Die Bar ist ein sozialer Ort für Austausch und Dialog über einzelne Bücher, die Fotografie aber manchmal halt auch „übers Wetter“; nach dem Vorbild der kleinen Themen-Bars in Japan, in denen wir immer die gute Erfahrung machen, dass auch, trotz Sprachbarrieren, eine Kommunikation zu den jeweiligen Sujets entstehen kann. Wir arbeiten übrigens gerade auch an einer neuen Ausgabe des ANT!FOTO Magazins; wir führen verschiedene Interviews zum Thema Mode, Style, Musik und Fotografie. Es wird hoffentlich im September erscheinen.

Für uns persönlich sind die „internen Kontroversen“ tatsächlich nie wirklich ein Thema gewesen, da wir ja in alle Richtungen schauen wollen. Je nachdem mit wem wir sprechen, scheint es doch immer wieder neue/alte Perspektiven zu geben, die zu Konflikten führen, wenn man nicht im Dialog und offen bleibt… Und ist es nicht auch immer so, dass es in den Kontroversen gar nicht unbedingt darum geht, sich inhaltlich interessiert auseinanderzusetzen, sondern es eher um die Stärkung der eigenen Position und des eigenen Einflusses?

Ihr seid als stellvertretende Leiterinnen der Sektion Geschichte und Archive im Vorstand der Deutschen Gesellschaft der Photographie vertreten und damit mehr als nur indirekt mit dem Thema des eventuell geplanten Bundesinstituts für Fotografie beschäftigt. Wie seht Ihr – abseits der unfruchtbaren Standortdiskussion – die zukünftigen Möglichkeiten einer solchen Institution?    

Unsere Sorge zur Zeit ist ja eher, dass diese unfruchtbaren Standortdiskussionen dazu führen, dass es am Ende gar kein Bundes-Institut geben wird. Ist ja bald Bundestagswahl. Gerade deshalb wäre es für uns wichtiger und viel interessanter, als an einem Ort jetzt eine Art „Superlösung“ zu finden, die vielen unterschiedlichen  Orte, an denen Fotografie ja schon gesammelt wird, an denen über Fotografie geforscht und Fotografie mit verschiedenen Schwerpunkten gelehrt wird, besser zu vernetzen und finanziell so auszustatten, dass die Forschung und Sammlung auch weiter gewährleistet wird – und diese Vielfältigkeit sichtbarer und zugänglicher wird. Es war ja nicht alles schlecht wegen Corona: wir haben viele Institutionen und Orte in virtuellen Veranstaltungen kennengelernt; verschiedene Akteure sind zu Wort gekommen, und es wurde wieder mal deutlich, wie wichtig eine Vernetzung ist.

Ganz persönlich wünschen wir uns dann endlich doch einen zentralen Ort für Fotobücher in Deutschland, eine Fotobuch Bibliothek, die offen und zugänglich ist. In den unterschiedlichsten Publikationen werden Strömungen, unterschiedliche Epochen, verschiedene visuelle Sprachen, die vielfältigen Genre der Fotografie gut sichtbar. Wenn wir über unser eigenes Archiv nachdenken, sind wir oft fast erleichtert, dass wir in den verschiedenen Publikationen (selten sprechen wir von Katalogen) unsere Arbeit strukturiert und veröffentlich und so quasi archiviert haben – und dass sie u.a. bei Euch im Sprengel Museum gut untergekommen sind 😉

Welche fotografische Position hat Euch selbst zuletzt fasziniert?

Wir sind doch immer noch und immer wieder fasziniert von den unterschiedlichsten Japanischen Positionen. Die Entwicklung, der Umgang mit der Fotografie ist so vielfältig, die Themen, die angesprochen werden, lassen uns immer wieder neue Aspekte über Japan, die Gesellschaft, die Menschen, die Konflikte erfahren. Die Geschichte der Fotobücher und Magazine, der Medien in Japan in denen Fotografie eine Rolle spielt, ist immer wieder inspirierend. In den letzten Jahren wurden endlich ernsthafter die Positionen der  Fotografinnen der 90er Jahre wie Yurie Nagashima, Hiromix oder Hanayo besprochen. Bei diesen Fotografinnen sind die Grenzen zwischen Musik, Popkultur und Fotografie fließend. Das interessiert uns genauso wie die Fragen nach Identität, die von ihnen behandelt werden. Und natürlich Lieko Shiga, die einen sehr eigenen fotografischen Stil entwickelt hat, der mittlerweile eine neue Generation stark beeinflusst. Mit der Nähe, die bei ihr zwischen der Fotografie, als Teil des eigenen Leben oder ihre gesellschaftlichen Erfahrung ist, können wir uns sehr gut identifizieren.

Mit bestem Dank an

Katja Stuke & Oliver Sieber

…sind Fotograf*innen und vieles mehr in Düsseldorf und anderswo

 

BU: Ktja Stuke & Oliver Sieber in ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Gießen 2019 (Foto: Rolf K. Wegst)

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